Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft wird in der Schwachheit vollkommen (2 Kor 12,9)
Dieser Vers birgt das Potential für größte Missverständnisse. Dieser Vers wird oft verstanden als die Aufforderung: Halte durch, erdulde, leide, denn das gefällt Gott und verändert deinen Charakter. Lass es mich in aller Deutlichkeit sagen: QUARK! Das ist totaler Quatsch. Was meint dieser Vers wirklich?
Die Situation, in der Paulus sich befand, war alles andere als spaßig, denn er hatte es mit dämonischen Konfrontationen zu tun. In Vers 7 lesen wir, dass ein Engel Satans, also ein Abgesandter der Hölle, ihn mit Fäusten schlug. Paulus befand sich im Zentrum des Willens Gottes, denn er diente als Apostel, um das Reich und die Gnade Gottes zu verkündigen, wie kaum ein Mensch vor ihm und nach ihm. Klar, dass sich ihm Kräfte in den Weg stellen wollten! Übrigens wissen wir nicht, wie das genau aussah! Manche sagen, Paulus wurde mit Krankheit angegriffen, doch möglicherweise lauerte ihm auch ganz praktisch regelmäßig ein Schlägertrupp auf! Wir wissen es nicht.
Interessant ist jedoch die Art und Weise, wie Paulus mit diesem satanischen Angriff umgegangen ist! In Vers 8 sagt er selbst, dass er den Herrn gebeten hat, dass der Dämon von ihm ablassen soll. Paulus kannte die Mächte der Finsternis, ihre Hierarchien und die Taktiken der Hölle. Er wusste ganz genau, wie Satan arbeitet, und wie man ihm entgegentritt. Die Beschreibung der Waffenrüstung in Epheser 6 ist ein Beispiel dafür. Vermutlich hat Paulus alle Register gezogen, die er kannte, um mit diesen Kräften fertigzuwerden. Aber offensichtlich ohne Erfolg, denn wir lesen, dass er dreimal den Herrn bittet. Das Wort, das hier im griechischen steht, lautet parakleo und bedeutet jemanden zur Hilfe rufen, in unserem Sprachgebrauch würde man sagen: seinen Anwalt einschalten.
Doch was passiert, wenn du einen Anwalt einschaltest? DU ziehst vor Gericht. DU kämpfst für dein Recht. DU sorgst dafür, dass etwas passiert. Und dein Anwalt hilft dir dabei.
Was der Herr dem Paulus hier antwortet, sieht bei genauem Hinschauen ganz anders aus. Der Herr sagt dem Paulus: Meine Gnade reicht für dich aus. Du kannst dich entspannen, denn es gibt nichts, wofür mein Werk am Kreuz nicht schon längst bezahlt hätte. Und meine Kraft kommt zum Ziel, wenn du nicht länger versuchst, dich selbst um das Problem zu kümmern. Mit anderen Worten: Paulus, geh mir mal aus dem Weg, ich mache das schon!
Ich weiß, dass in diesem Moment einige von euch laut aufstöhnen und sagen: „Aber Jesus hat mir doch die Vollmacht gegeben! Sein Werk ist beendet! Jesus hat sich auf seinen Thron gesetzt und jetzt bin ich dran!“ Das ist richtig, und es geht mir auch nicht darum, die Hände in den Schoß zu legen und zu sagen „Herr, mach du…“ Doch der Schlüssel liegt darin, worauf wir unser Vertrauen setzen! Vertrauen wir auf unsere Fähigkeit und Vollmacht, Angriffe und Behinderungen zu binden, Ressourcen zu lösen (Mt. 18, 18) und im Leben zu herrschen (Röm 5,17)? Oder vertrauen wir auf Gott und darauf, dass er in der Lage ist einzugreifen, ohne dass ich aus meiner Kraft selbst aktiv werde.
Worin besteht die Schwachheit, in der die Kraft Gottes ans Ziel kommt? Sie besteht darin, nicht mehr selbst zu wirbeln, zu machen und zu tun. In 2. Mose 14,14 lesen wir: Der Herr wird für euch kämpfen, und ihr sollt still sein. Hier geht es um eine Form von Schwachheit, in der wir äußerlich passiv werden, nichts mehr sagen, uns nicht länger rechtfertigen, keine versteckten Andeutungen fallen lassen, um Menschen wissen zu lassen, was wir gerade benötigen oder gern tun würden oder viel besser könnten als diejenigen, die gerade in der entsprechenden Position sind. Oder in Momenten, in denen wir befürchten, dass uns Unrecht geschieht, nicht länger unsere Seite der Geschichte breit zu streuen und Menschen auf unsere Seite zu ziehen (vor Gericht nennt man das Beeinflussung von Zeugen, in der Bibel schlicht Manipulation). Der Schlüssel ist: Tue gar nichts! Kämpfe nicht! Sei schwach! Denn das ist die optimale Voraussetzung dafür, dass Gottes Kraft für dich aktiv wird und ans Ziel kommt. Denn das ist die eigentliche Bedeutung von zur Vollendung kommen. Es geht darum, dass das Ziel erreicht wird, aber nicht auf deine Weise.
Übrigens bedeutet dieses Wort Kraft im griechischen dynamis, auch bekannt als Dynamit! Gottes Kraft kann in deinem Leben explodieren, wenn du ihr nicht länger im Weg stehst.
Wie geht das praktisch? Sorge dich um nichts; sondern in allem (was auch immer gerade in deinem Leben ansteht) lasse durch Gebet und Flehen mit Danksagung dein Anliegen vor Gott kundwerden (Phil 4,6). Bringe dein Anliegen vor Gott, und nicht vor Menschen. Du siehst hier auch, dass es nicht darum geht, die Hände in den Schoss zu legen und zu sagen: Herr, du machst das schon… Es geht vielmehr darum, die Dinge vor Gott zu bewegen! Und dann erwarte das Eingreifen seiner explosiven Kraft. Und glaub mir: er kann und wird es auf Arten und Weisen tun, die du dir im Leben nicht hättest träumen lassen. Ich spreche aus Erfahrung…