Jerusalem, Jerusalem, die du die Propheten tötest und steinigst, die zu dir gesandt sind! (Mt 23,37a)
Denn viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: Ich bin der Christus! (Mt 24,5)
Zwei Verse sehr nah beieinander, beide Aussagen stammen von Jesus, und sie geben uns einen Einblick in eine Thematik von höchster Wichtigkeit! Es ist die spannende Frage danach, ob jemand kommt oder ob er gesandt ist.
Im ersten Vers sagt Jesus ganz deutlich, dass Propheten nach Jerusalem gesandt worden waren. Da es sich bei Propheten um solche Menschen handelte, die im Dienst Gottes standen, wissen wir auch, wer sie gesandt hatte, nämlich Gott selbst. Im zweiten Vers spricht Jesus davon, dass Menschen kommen, und zwar in seinem Namen.
Wir machen einen kurzen Einschub. Was meint Jesus mit der Aussage, dass Menschen sagen werden, sie seien der Christus? Spricht er von solchen, die behaupten, der wiedergekommene Jesus zu sein? Ich persönlich bin der Überzeugung, dass es vielmehr um Menschen geht, die sagen, sie hätten die Salbung. Denn Christus bedeutet ja der Gesalbte. Es werden also Menschen auftreten, die ihre Legitimation dadurch belegen, dass sie von Gott gesalbt sind. Und das kann sogar stimmen! Übrigens steht dieser Vers genau zwischen unseren beiden Tagesversen. Jesus sagt: Ihr werdet mich von jetzt an nicht mehr sehen, bis ihr sprechen werdet: „Gepriesen sei der, welcher kommt im Namen des Herrn!“ (Mt 23,39). Wir werden Jesus sehen, und zwar in den Menschen, die in seinem Namen, in seinem Auftrag und in seiner Salbung zu uns kommen.
Wir haben es also mit der Situation zu tun, dass Menschen vor uns stehen werden, die von sich sagen, dass sie in der Salbung dienen und von Gott gesandt sind. Doch Jesus selbst unterscheidet innerhalb dieser Verse zwei Arten von Menschen: die einen, die gesandt sind, und die anderen, die in seinem Namen kommen. Und das ist alles andere als trivial! Was wir dringend brauchen, ist die Fähigkeit, zu unterscheiden.
Jeremia stand in einem ähnlichen Dilemma. Er wusste, was Gott zu ihm selbst geredet hatte, und er hörte die Worte der anderen Propheten, die allerdings das Gegenteil voraussagten. Er geht vor Gott, der zu ihm sagt: Diese Propheten weissagen Lüge in meinem Namen; ich habe sie nicht gesandt, ihnen nichts befohlen und nichts zu ihnen geredet. Sie weissagen euch Lügengesichter und Wahrsagerei, Hirngespinste und Einbildungen ihres eigenen Herzens (Jer 14,14). Auch hier siehst du wieder die Frage, ob diese Propheten gekommen oder gesandt waren. Diese Propheten waren nicht gesandt worden, sondern sie waren gekommen. Und ebenso finden wir die zwei Quellen ihrer prophetischen Rede: Einerseits Lügengesichte und Wahrsagerei, also dämonische Quellen, denn Satan ist der Vater der Lüge, und Wahrsagerei ist eine Kraft, die durch dämonische Inspiration vorhersieht. Und andererseits reden sie aus Hirngespinsten und Einbildungen, also aus ihrer Phantasie und ihren Ideen. Doch Jeremia konnte es selbst nicht auseinanderhalten! Er brauchte Gott, der ihm zeigte, dass diese Prophetien falsch waren.
Wie kannst du unterscheiden, ob dir ein Prophet gegenübersteht, der von Gott gesandt ist, oder der aus sich heraus kommt? Das ist nicht einfach. Wir brauchen ein feines Gespür für den Heiligen Geist, eine genaue Kenntnis des Wesens Gottes und eine Sensibilität dafür, ob dieser Prophet das ergänzt, was wir in uns schon wissen, oder ob er in eine vollkommen andere Richtung schießt. Wenn das der Fall ist, muss er nicht automatisch falsch liegen! Doch bevor wir mit solchen Worten losrennen, sollten wir sie sehr genau prüfen. Schlussendlich kann nur der Heilige Geist uns Aufschluss darüber geben, ob dieser Prophet von Gott gesandt war und somit eine Botschaft für uns hatte.
Doch nun ein Wort an die prophetisch Begabten und Berufenen unter uns: Es ist Zeit, sich an die eigene Nase zu fassen! Auch wir stehen in der Gefahr, prophetisch loszuschießen, ohne einen Auftrag zu haben. Manchmal sehen und hören wir Dinge über Menschen und Situationen und platzen damit raus, ohne dass Gott uns den Auftrag dazu gibt, richtig? Die prophetische Gabe ist aktiv. Doch das heißt nicht, dass es immer richtig ist, sie auszuüben. Manchmal stehen auch Menschen vor uns, und es juckt uns in den Fingern, ihnen prophetisch zu dienen. Und dann ziehen wir ein Wort, das sogar vollkommen akkurat sein kann und dennoch am Ziel vorbei, denn wir reden ohne Auftrag. Das muss nicht unbedingt schlimme Folgen für diesen Menschen haben. Doch wir selbst gewöhnen uns daran, die Gabe fließen zu lassen, ohne zu prüfen, ob wir einen Auftrag haben! Das ist das eigentliche Problem. Wir machen uns unabhängig von Gott. Wir treten aus der Demut des Gesandten heraus und begeben uns in den Stolz des Gesalbten.
Doch wie halten wir das auseinander? Auch da ist wiederum Sensibilität gefragt. Die Sensibilität für unsere eigenen Motivationen und das Drängen, prophetisch dienen zu wollen, und die Sensibilität für den Heiligen Geist, der uns beauftragt. Ich weiß nicht, wie du es erlebst, doch ich spüre immer wieder, wie sich eine Art von Schauer auf mich legt. Plötzlich kommt etwas auf mich herab und ich weiß, dass es die prophetische Salbung ist. Und meistens dauert es dann nur noch einen kurzen Moment, bis ich ein Wort für eine Versammlung oder einen Menschen habe. Wenn andere prophetisch dienen, spüre ich oft den gleichen Schauer. Und manchmal spüre ich diesen Schauer unmittelbar bevor jemand anders zu prophezeien beginnt. Und manchmal ziehe ich ein Wort, weil ich gern ein Wort für jemanden hätte – autsch.
Es ist ein Lernprozess, und der Heilige Geist trainiert uns. Und je mehr wir uns an ihn halten und nicht vorauspreschen, desto reicher kann Gott uns gebrauchen. Dieser Weg ist langsamer, aber viel, viel schöner!
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