Als das aber die Brüder erfuhren, brachten sie ihn nach Cäsarea und schickten ihn nach Tarsus (Apg 9,30)
Es ist Saulus von Tarsus, der hier wieder nach Hause zurück geschickt wird. Saulus hatte gerade seine dramatische Bekehrung vom Christenkiller zum feurigen Evangelisten erlebt. So vehement er vorher gegen Christen war, so vehement ist er jetzt gegen alle Nicht-Christen. Der Junge mischt den Laden so dermaßen gründlich auf, dass ihn die Brüder rausschmeißen, und so hatten nun die Gemeinden Frieden in ganz Judäa und Galiläa und Samaria…(Apg 9,31). Er war untragbar in seiner neuen Leidenschaft und musste zum Abkühlen nach Hause. In der Zwischenzeit wuchs die Gemeinde.
Und Saulus-Paulus? Er hatte reichlich Stoff zum Nachdenken. Es scheinen um die 13 Jahre vergangen zu sein, bis er wieder auf der Bildfläche erscheint. In Apostelgeschichte 10,2 lesen wir, dass Gott in einer Gemeinde spricht: Sondert mir Barnabas und Saulus aus zu dem Werk, zu dem ich sie berufen habe. Es lag eine Berufung auf diesem Heißsporn, doch er musste durch Prozesse. Und jetzt komme ich zum eigentlichen Punkt für heute morgen: Gott verändert dich nicht!
Als ich heute morgen aufwachte und noch so im Halbschlaf meinen Gedanken nachging, dachte ich über Gefäße nach, Gefäße zur Ehre und zur Unehre, über die Reinigung dieser Gefäße, doch als ich die entsprechenden Bibelstellen nachschlug, erlebte ich eine Überraschung. Entgegen meiner Erwartung hat Gott keinen Spüldienst!
Gefäße sind ein bildlicher Ausdruck für uns selbst. Wir haben den Heiligen Geist als einen Schatz in einem irdenen Gefäß (2 Kor 4,7). Es gibt Gefäße zur Ehre und zur Unehre (2 Tim 2,20). Und auch Jesus selbst kreidet es den Pharisäern an, dass sie das Äußere des Bechers und der Schüssel reinigen (Lk 11,39), doch innerlich immernoch voll von Bosheit und Raub sind. Doch es gibt keine Stelle, wo Gott uns verspricht, dass er uns reinigen wird. Der Punkt ist, dass Gott uns durch das Blut Jesu auf einen Schlag vollkommen rein gemacht hat. Wir sind gewaschen durch Jesu Blut. Doch das heißt noch lange nicht, dass wir in unserem Wesen, Charakter und Lebensstil ebenso vollkommen sind. Von der geistlichen Sicht her kannst du nicht reiner und vollkommener werden, als du in diesem Moment als wiedergeborenes Kind Gottes bist. Von der seelischen und natürlichen Sicht her sieht das anders aus. Denke an den verlorenen Sohn, der aus dem Haus des Vaters über ein paar Kurven bei den Schweinen landet. Es ist ein Bild für einen wiedergeborenen Sohn Gottes, der sich entscheidet, das Haus das Vaters zu verlassen und ein bisschen Spass zu haben. Das Ergebnis stinkt buchstäblich zum Himmel.
Ihr Lieben, unsere persönliche Entwicklung ist unsere persönliche Entscheidungssache. Im Moment deiner Wiedergeburt ist dein Geist vollkommen geworden. Doch das Seelchen muss ein paar Dinge lernen. Ob wir uns darauf einlassen, ist unsere Entscheidung. Paulus Hans-Dampf-in-allen-Gassen von Tarsus hat einen kräftigen Schuss vor den Bug bekommen, als die Brüder ihn rausschmissen. Ich glaube nicht, dass er das besonders witzig fand. Doch wo befindet er sich, als sein Name das nächste Mal erwähnt wird? In der Gemeinde! Mag sein, dass er zunächst mal seine Wunden geleckt hat und empört war, doch schließlich geht er wieder in eine Gemeinde und wird schließlich von dort ausgesandt. Hätte Paulus sich entschieden, sich in so einem Laden nie wieder blicken zu lassen, hätten wir vermutlich nie wieder von ihm gehört. Doch er demütigte sich, riskierte einen weiteren Schuss von Brüdern und lernte!
Das Blut von Jesus reinigt uns von aller Sünde und aller Ungerechtigkeit. Doch es reinigt uns nicht von einem miesen Charakter oder von schlechten Angewohnheiten. Und bitte! Wir können das Ganze hypergeistlich betrachten und rechtfertigen und niemanden mehr nach dem Fleisch kennen, aber sorry, wenn du noch einmal Apostelgeschichte 9,31 liest, fällt dir vielleicht das tiiiiiieeeefe Aufatmen ganzer Regionen auf, als Saulus-Paulus endlich weg war. Was meinst du, was diesem brüderlichen Rausschmiss wohl vorangegangen ist? Ich denke, sie haben einige Male versucht, ihren Bruder zu mäßigen.
Einander zu dulden und zu ertragen ist ein Gebot der Liebe an uns. Doch beachte: Es ist das Gebot an dich, mich zu ertragen. Aber das gibt mir längst keinen Freifahrtschein, weiterzumachen wie der Elefant im Porzellanladen. Das Gebot an mich lautet, mich in meinem Wesen zu verändern durch die Erneuerung meines Sinnes (Röm 12,2 – leider in der deutschen Übersetzung im passiv wiedergegeben, eigentlich steht es im aktiv). Und bitte: Wenn dir mal wieder jemand sozusagen ein Ticket nach Hause zusteckt, dann nimm es als Zeichen, dass sie es versucht haben, aber es einfach nicht mehr ertragen. Es ist nicht schön, rausgeschmissen, ignoriert, übergangen oder verlassen zu werden, doch manchmal ist es die pure Verzweiflung der Geschwister. Diese Medaille hat zwei Seiten! Bitte berufe dich nicht darauf, dass sie dich lieben müssen. Du hast die Aufgabe, dein Wesen zu verändern.
Paulus war einer der bedeutensten Männer des Neuen Testaments. Doch er ist durch eine harte Schule gegangen, damit es überhaupt so weit kommen konnte. Es ging an seine Substanz, aber er hat sich darauf eingelassen. Ich bin davon überzeugt, dass vieles in seinen Briefen nicht nur Offenbarung, sondern auch Erfahrung war. Paulus war ein anderer Mann als unmittelbar nach seiner Bekehrung. Er ließ sich schleifen, dass es nur so qualmte. Danach schrieb Gott Geschichte mit ihm. Du und ich sind ebenfalls keine hoffnungslosen Fälle. Doch die Entscheidung liegt bei uns.