Mose aber redete vor dem Herrn und sprach: Siehe, die Kinder Israels hören nicht auf mich; wie sollte denn der Pharao auf mich hören? Dazu habe ich unbeschnittene Lippen! (2 Mose 6,12)

Mose war echt in einer miesen Lage. Aus irgendwelchen für ihn nicht wirklich nachvollziehbaren Gründen hatte ihn das große Los getroffen. Er war der Glückliche, der das Volk Israel aus der ägyptischen Gefangenschaft führen durfte. Gratulation, Mose! Super Auftrag! Die Schwierigkeit war nur, dass weder der Pharao noch das Volk besonders glücklich darüber waren und Mose die Sache nicht besonders leicht machten. Ist schon blöd, wenn man plötzlich unfreiwillig der große Volksbefreier und Anführer ist.

David hütete brav die Schafe und spielte Harfe, als jemand ihn überraschend nach Hause beordert. Er kommt ins Wohnzimmer, wo sein Vater und sämtliche Brüder stehend auf ihn warten. Ups, ist was passiert? Und außerdem ist da noch jemand, der nach Öl greift und ihn mal eben so zum König salbt. Danke, David, das war’s, du kannst zurück zu den Schafen gehen. Ach ja, und die Sache mit dem Königtum, mach dir darüber mal nicht zu viel Stress, das kommt schon noch.

Jesus geht am Hafen spazieren, kommt an ein paar Teenagern vorbei, ruft ihnen zu: Hey, ich mach euch zu Menschenfischern! und die Jungs springen verdutzt vor ihren ebenso verdutzten Kollegen und Chefs (die nebenbei auch noch ihre Väter waren) vom Boot und gehen mit Jesus. Ein paar Jahre später werden einige von ihnen als die Säulen der Gemeinde bezeichnet und Apostel genannt. Ungewöhnliche Todesarten inbegriffen.

Wenn Gott in dein Leben rauscht, dann wird es schon mal ungewöhnlich. Da kann es dir passieren, dass du dich in einem Film wiederfindest, der ungefähr dem Muster Vom Tellerwäscher zum Millionär entspricht. Weniger in finanzieller Hinsicht vielleicht, als vielmehr in der Perspektive, dass dein gesamtes Leben, dein Tun, dein Umfeld, die Anforderungen an dich und dein Verhalten nicht mehr das geringste mit dem zu tun haben, was du kennst und wozu du erzogen und ausgebildet worden bist. Wenn dir das passiert, bist du in die Hände des lebendigen Gottes geraten. Allerdings mit deiner Zustimmung! Und – herzlichen Glückwunsch – etwas besseres kann dir ja gar nicht passieren.

Wir haben uns in den letzten zwei Tagen mit dem Phänomen Saulus-Paulus und der Metamorphose befasst. Lass uns noch etwas tiefer einsteigen. Es ist wiederum Paulus, der aus seinem reichen Erfahrungsschatz sagt: Nicht dass ich es schon erlangt hätte oder schon vollendet wäre; ich jage aber danach, dass ich das auch ergreife, wofür ich von Christus Jesus ergriffen worden bin (Phil 3,12). Anders formuliert: Jesus hat seine Hand auf mich gelegt, und er hat was vor mit mir. Ich tue alles, was ich kann, damit ich dieser Berufung gerecht werde.

Das griechische Wort für ergreifen lautet katalambano und bedeutet wirklich, seine Hand auf jemanden zu legen, um ihn zu ergreifen. Für Paulus war ganz klar, dass Jesus selbst ihn ergriffen hat (sein Erlebnis auf der Strasse nach Damaskus war ja auch eindrücklich genug), und dass er einen Plan mit ihm hat. Paulus plaudert hier allerdings ein wenig aus dem Nähkästchen und teilt uns durch die Blume mit: Puh, ich bin zwar schon eine Weile auf dem Kurs unterwegs, aber fertig bin ich noch immer nicht. Ich bin noch nicht da angekommen, wo ich sein sollte.  

Was wir von Paulus kennen, sind seine Briefe. Doch dieser Mann hatte ein Leben. Er stand in Kontakt mit Menschen. Und in seinen Briefen gibt er immer wieder mal Hinweise auf die Qualität der Beziehungen: Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses erwiesen; der Herr vergelte ihm nach seinen Werken! (2 Tim 4,14). Klingt nach Zoff, oder? Paulus wusste, dass sein Job darin bestand, zu predigen und Menschen auszurüsten. Doch er hat sogar arbeiten müssen, um für seine eigene Versorgung zu sorgen – wissend, dass Gott es eigentlich anders geplant hat, und der Verkündiger von der Verkündigung leben soll (1 Kor 9,14). Er stand immer wieder in diesem Spannungsfeld von Berufung und Offenbarung einerseits und den natürlichen Umständen andererseits, sowohl emotional wie im natürlichen. Und im Übernatürlichen auch noch, weil Satan es für eine gute Idee hielt, ihn ein wenig abzulenken und ihm einen persönlichen Sparringspartner an die Seite zu stellen (der berühmte Pfahl im Fleisch).

Paulus ging durch Prozesse, und zwar in jedem Bereich seines Lebens. Es begann mit seiner Identität als Christenverfolger und Jude, der allen Grund hatte, auf seinen Status stolz zu sein. Es ging weiter über den Wandel in seinem Job vom Zeltmacher zum Prediger. Dazu kam die Offenbarung der Liebe, die Paulus vor die Herausforderung stellte, genau das zu leben. Dann das Training hinsichtlich seiner Versorgung: mal Überfluss, mal Mangel. Und Paulus lernte, in allem zurechtzukommen. Vermutlich ist er als guter Jude sogar verheiratet gewesen. Ob er Kinder hatte, wissen wir nicht. Jedenfalls hatte er geistliche Kinder, die er nun auch noch mit ausbildete, Timotheus zum Beispiel. Und Kinder bringen ihre ganz eigenen Herausforderungen.

Paulus teilt uns eine Sache mit: Jesus hat mich ergriffen. Und jetzt ringe ich darum, das zu ergreifen, was er für mich vorbereitet hat. Der Schleifprozess geht in die nächste Runde. Aber Paulus wusste eines: er zahlt einen Preis, doch es wartet auch ein Preis, nämlich der Kampfpreis der himmlischen Berufung (Vers 14). Mit anderen Worten: es lohnt sich!

Und es lohnt sich auch für dich.