Kein Prophet ist anerkannt in seinem Vaterland (Lk 4,24)
Ein Thema, das mich seit fast einem Jahr begleitet, ist das Thema Ehre. Mein momentan absoluter Lieblingslehrer hat nur dazu eine 17teilige Serie herausgegeben und streift das Thema in vielen anderen Serien. Es scheint also wert zu sein, sich damit auseinanderzusetzen. Ich tue es seit Monaten, aber ich habe gerade mal die Spitze des Eisbergs angeknabbert. Doch eines wird mir bewusst: Kaum ein Thema der Bibel ist in unserem Gemeindealltag derart unterbelichtet und im praktischen Leben miteinander derart unvorhanden, wie das Thema Ehre. Ich sage das nicht aus Anklage, sondern aus schmerzlicher Einsicht. Ihr Lieben, wenn wir als Gemeinde, als Leib Christi, bestehen wollen, kommen wir an diesem Thema nicht vorbei. Es ist zentraler, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.
Ehre, wem Ehre gebührt – diesen Satz hört man meistens, wenn jemand eine Leistung vollbracht hat, die nun anerkannt werden muss, ob es mir selbst schmeckt oder nicht. Er hat für mich persönlich im allgemeinen Sprachgebrauch einen Unterton von Neid oder Missgunst. Er sagt mit anderen Worten: Ok, ich muss anerkennen, dass du etwas besonderes geleistet hast. Dir gebührt Ehre aufgrund deiner Leistung, und ich komme nicht drumherum. Doch wie versteht die Bibel dieses Konzept von Ehre, wem Ehre gebührt? Wem gebührt denn eigentlich die Ehre? Schon mal über diese Frage nachgedacht? Alle, die das noch nicht getan haben, werden antworten mit Gott, Jesus, dem Heiligen Geist. Und das ist richtig, aber nur ein Bruchteil der Wahrheit.
Paulus schreibt einen interessanten Satz an die Römer: So gebt nun jedermann, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer, Zoll, dem der Zoll, Furcht, dem die Furcht, Ehre, dem die Ehre gebührt (Röm 13,7). Wir finden hier immer noch keinen Hinweis darauf, wem denn nun die Ehre gebührt, aber wir finden etwas anderes, nämlich die Aussage, dass wir anderen die Ehre schuldig sind! Wir schulden jemandem die Ehre, genauso wie wir dem Finanzamt die Steuern schuldig sind, oder am Flughafen unsere Einfuhrzölle zu zahlen haben. Es ist eine Leistung, die rechtmäßig eingefordert werden kann, und zwar von demjenigen, dem wir diese Dinge schulden. Und du siehst hinter diesen Beispielen von Steuern und Zoll Menschen und Institutionen stehen. Außerdem heisst es, dass wir jedermann, also jedem Menschen, geben sollen, was wir ihnen schulden. Gott als Schuldner sozusagen kommt hier nicht vor. Es geht um Menschen. Und Ehre ist etwas, das wir jemandem schulden.
Wir schulden Ehre. Wir haben die Verpflichtung, Ehre zu erweisen. Es ist keine Frage von Gefühlen, Begeisterung oder Zugehörigkeitsgefühl zu jemanden, es ist eine glasklare Ansage von Grundsätzlichkeit. Du und ich schulden Ehre. Tschuldigung, dass ich darauf so herumreite, aber diesen Punkt müssen wir verstehen. Egal, in welcher Position wir stehen, wie gesalbt wir sind, wieviel wir leisten – wir schulden Ehre, und zwar anderen! Da führt kein Weg vorbei. Wenn du diesen Satz für den Rest deiner Zugehörigkeit zum Leib Christi im Hinterkopf behältst, ist schon viel gewonnen. Und dieses Konzept ist ein enormer Schutzfaktor für unsere Gemeinden. Dazu kommen wir später.
Jesus beklagt sich, dass ein Prophet keine Anerkennung in seinem Vaterland findet. Das ist eine ziemlich steile Feststellung, denn immerhin waren die Propheten im Alten Testament, das zur Zeit Jesu ja noch gültig war, echte Größen. Nur zuhause konnten sie niemanden hinter dem Ofen hervorholen. Wenn also selbst Propheten keine Anerkennung (was ein Bestandteil von Ehre ist) finden, wieviel Hoffnung bleibt für den Rest der Welt?
Der Begriff Ehre lautet im griechischen time und bedeutet als erstes Wert, Kaufpreis, Geld. Weitere Bedeutungen sind: Ehre, Ansehen, Schätzung, Wertschätzung, Gewicht. Ehre kommt also jemandem zu, der einen Wert hat. Für den es einen Preis gibt. Wenn du dich umschaust, dann wirst du keinen einzigen Menschen auf diesem Planeten finden, auf den das nicht zutrifft. Jeder einzelne Mensch war es Gott wert, seinen Sohn als Kaufpreis zu geben, wiedergeboren oder nicht. Der Preis, den jeder einzelne wert ist, ist der einzige Sohn Gottes, der mit seinem Blut bezahlt hat. Und diese Tatsache ist für uns so abstrakt und fast schon trivial, dass wir uns auf Leistungen, Verhalten oder Popularität konzentrieren, um den Grad der zu erweisenden Ehre zu bestimmen. Das ist vollkommen falsch. Es führt uns auf den Weg, den die Pharisäer schon beschritten haben.
Wir müssen eine Tatsache in unseren Kopf bekommen: Jeder Mensch, der vor uns steht, hat einen in sich liegenden Wert, der mich dazu verpflichtet, diesem Menschen Ehre zukommen zu lassen. Es spielt keine Rolle, ob das eine unscheinbare Schwester ist oder ein „großer“ Diener Gottes. Es spielt keine Rolle, ob ich ein „großer“ Diener Gottes bin, dem diese unscheinbare Schwester gegenübersteht – Ehre, wem Ehre gebührt. Übrigens hat die Welt dieses Kozept ebenfalls ergriffen und führt zum Teil Gerichtsverhandlungen bis aufs Messer wegen einer Feststellung: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist nichts anderes als ein biblisches Konzept. Und mich persönlich entsetzt es, immer wieder zu erleben, wie die Würde (oder Ehre) von Menschen innerhalb der Gemeinde verletzt wird. Sowohl unter den „Schafen“ wie auch durch Leiter.
Ich weiß, dass dieser Artikel heute latent bissig ist. Und es tut mir leid. Aber ich spüre eine riesige Not im Leib Christi: Wenn wir das Konzept von biblischer Ehre, Achtung und Respekt nicht begreifen, begreifen wir das Herz Gottes für seine Kinder nicht. Und wir verschließen uns selbst Türen, weil Gott uns bestimmte Dinge und Menschen nicht anvertrauen kann. Wir würden ihnen schaden.
Ich weiß selbst noch nicht, wohin diese Reise führt, aber lass uns doch mal ein extrem spannendes und sehr herausforderndes Thema angehen. Bist du dabei?
Margaretha Aichner sagte:
Ohja, meine Liebe – Nagel auf den Kopf getroffen.