Wir haben gestern betrachtet, dass es beim Thema Ehre um eine Haltung geht, die wir selbst tragen, zu der wir uns entschieden haben, von der wir uns leiten lassen. Es ist eine Haltung, die vollkommen unabhängig davon ist, wer uns gerade gegenübersteht. Das kann der Müllmann sein, die Verkäuferin an der Kasse, die Frau Professor oder sogar der Herr Pastor. Wenn wir Ehre in uns tragen, werden wir jedem mit Ehre begegnen, unabhängig davon, wie diese Menschen uns gegenüber auftreten. Das Konzept von Ehre ist dermaßen unterbelichtet, sowohl in der Gemeinde wie in der Gesellschaft übrigens auch, dass ich für mich persönlich das Gefühl habe, dass ich lernen muss, wie ich diese Haltung praktisch und jeden Tag lebe.

Ein Leitgedanke für mein persönliches Verständnis von Ehre spiegelt unser Vers des Tages wider. Paulus gibt diesen Auftrag an die Thessalonicher in einer ganzen Liste von Anweisungen. Es bezieht sich vom unmittelbaren Zusammenhang auf Weissagungen, doch dies ist nun wirklich ein Vers, den ich gern aus dem Zusammenhang reiße, weil er so grundsätzlich gültig ist. Und für das Thema Ehre leben von wichtiger Bedeutung.

Paulus sagt: Prüft alles und behaltet das Gute. Diese Aussage kann nur jemand treffen, der das Konzept von Ehre verstanden und ergriffen hat. Was Paulus hier nämlich anders formuliert ausdrückt, ist: Nehmt nicht alles einfach hin, aber seid bestrebt, das herauszufiltern, was gut ist. Das haltet fest. Jemand anderen zu ehren oder in der Haltung von Ehre zu leben bedeutet keineswegs, alles toll, toll, toll zu finden, was der andere tut. Das ist Dummheit. Doch wenn ich in der Haltung von Ehre lebe, weiß ich, dass ich dem Menschen mir gegenüber Ehrerbietung schuldig bin. Darüber haben wir vorgestern gesprochen. Und ich bin ihm diese Ehre schuldig, weil er einen grundsätzlichen Wert hat, der meine Wertschätzung verdient. Meine Aufgabe ist es, diesen Wert zu entdecken. Und das kann die Herausforderung des Tages sein, das kann ich dir versichern!

Um die Anweisung von Paulus erfüllen zu können, muss ich eine Brille tragen, die heutzutage vollkommen unüblich ist, nämlich die Brille, die auf das Gute schaut. In der Regel sind wir von Kindesbeinen an darauf ausgerichtet, das zu entdecken, was hässlich, dumm, unmöglich, lächerlich, peinlich oder sonstwie unangemessen ist – gemäß unserem eigenen Maßstab übrigens. Diese Dinge springen uns sofort an. Alles, was nicht in unser Konzept, unsere Erwartungen oder unsere Ansprüche passt, fällt uns sofort auf und liefert reichlich Gesprächsstoff für die nächsten Tage. Hast du schon einmal beobachtet, wie lange du dich mit jemandem über die Peinlichkeiten oder Zielverfehlungen eines anderen unterhalten kannst, und wie lange ein Gespräch über das Gute dauert, das jemand geleistet hat? Ein guter Gradmesser für unseren Fortschritt in Sachen Ehre…

Das Gute zu suchen ist ebenso eine Entscheidung, wie Ehre zu leben. Doch der Fokus auf das Gute geht zunächst einmal grundsätzlich davon aus, dass es etwas Gutes gibt! Und bei manchen Menschen muss ich eben etwas genauer und länger hinschauen, bis ich es entdecke… Es gibt einen Menschen, von dem ich in dieser Hinsicht sehr viel gelernt habe und noch immer lerne, der mich immer wieder damit verblüfft, wie er aus dem Quark, den ich von einer Person sehe und höre, wirklich gute Dinge zieht und sie feiert! Und alles andere spielt keine Rolle! Diese Herangehensweise ist übrigens auch ein Schlüssel dafür, Gräben zu überwinden.

Mich bringt es auf die Palme zu erleben, wie andere Gemeinden schlecht gemacht, wie Glaubensüberzeugungen anderer und auch Prediger herabgewürdigt werden. Achtung: Ich rede nicht davon, dass alle recht haben und jeder nach seiner Fasson selig werden soll. Ich rede nicht von der großen Ökumene, wo jeder seinen Gott sehen und feiern darf, wie er es für richtig hält. Doch wenn wir in Deutschland oder in Europa einen Leib Christi in Einheit erleben wollen, dann müssen wir endlich aufhören, uns selbst für die alleinig Richtigen zu halten! Und wenn ich dann in eine Gemeinde komme, wo mir die religiösen Geister schon an der Tür zur Begrüßung die Hand geben, dann ist es noch immer meine Aufgabe, alles zu prüfen – das Gute zu suchen – und das Gute zu behalten. Selbst wenn derjenige, der gerade predigt, eine vollkommen andere Überzeugung hat als ich, muss ich noch immer die Frage stellen: Wo ist das Gute? Oder anders gesagt: Was hat dieser Pastor oder diese Gemeinde, was ich nicht habe? Denn irgendwas müssen sie ja haben, sonst wäre die Veranstaltung mangels Teilnehmer ausgefallen.

Es ist in der Regel unsere Arroganz (oder unser Mangel an Ehre), der uns nicht erkennen lässt, was andere Menschen, Prediger oder Gemeinden uns voraus haben und uns geben können. Es mögen nicht alle die tiefsten Erkenntnisse aus dem Wort Gottes haben oder den prickelnsten Lobpreis oder die gewaltigsten prophetischen Worte. Aber deswegen sind sie weder von Gott verlassen noch voll mit dem antichristlichen Geist. Und wenn Geschwister und Gemeinden aufhören wollen, sich gegenseitig zu attackieren und voreinander zu warnen, gibt es dafür nur einen Weg: Den Weg der Ehre, der alles prüft und dabei das Gute sucht – und das im Gedächtnis behält, nicht all den negativen Quark!

Und wiederum beginnt der Weg aufeinander zu damit, dass meine Haltung stimmt…