Woher kommen die Kämpfe und Streitigkeiten unter euch? (Jak 4,1a)

Gute Frage, Jakobus! Woher kommen sie eigentlich? Jakobus attackiert speziell in Kapitel drei und vier ziemlich deutlich Haltungen, die schlicht und ergreifend reines Fleisch sind. Er bringt innerhalb weniger Verse die Sprache auf Neid, Selbstsucht, Heuchelei, Kämpfe, Streit, Begehrlichkeit. Schön ist auch die Liste von Paulus zu dem Thema, er spricht von Ehebruch, Unzucht, Unreinheit, Zügellosigkeit, Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Streit, Eifersucht, Zorn, Selbstsucht, Zwietracht, Parteiungen, Neid, Mord, Trunkenheit, Gelage und dergleichen (Gal 5,19-21).

Paulus und Jakobus kommen zu dem gleichen Schluss: die Quelle und die Ursache all dieser Dinge ist das Fleisch – mit anderen Worten: Fleisch ist überall da, wo das Ego in den Mittelpunkt gestellt wird, wo es darum geht, dass ich bekomme, was ich will, dass ich bewundert werde, ich Recht habe, meine Bequemlichkeit erfüllt wird, meine Gelüste befriedigt werden, die Dinge auf meine Weise laufen usw. So. Und jetzt stell dich mal mit einer Gruppe von Leuten, die alle genauso ticken wie du, in einen Raum und versuche, gemeinsam Spass zu haben. Bitte fühl dich jetzt nicht angegriffen, jeder von uns hat diese Züge, doch es geht ja immer noch um das Thema Ehre.

Wenn du dich mal irgendwann mit Kommunikationspsychologie beschäftigt hast, mit Gesprächsführung oder sonstiger zwischenmenschlicher Interaktion, dann ist dir sicher das Bild mit den zwei Eisbergen begegnet. Du siehst zwei Eisberge, die Spitzen über Wasser, der größte Teil der Eisberge unter Wasser. Die Spitzen liegen weit auseinander – doch unter Wasser sind diese zwei Berge gerade kollidiert. So funktioniert die übliche menschliche Kommunikation. Über Wasser, im Sichtbaren oder eben in der Interaktion sieht alles ganz flauschig aus. Doch die Kollision findet auf der Ebene der Erwartungen und des Unausgesprochenen statt. Es knallt im Bereich der Gefühle, der Motivationen, der Ansprüche und des Willens. Und manchmal kannst du dabei zuschauen, wie sich zwei gegenseitig hochschaukeln und vollkommen wortlos in den Wettbewerb um schöner, größer, besser, schneller, höher und weiter einsteigen. Und das mitten im Gottesdienst.

Ich habe nebenbei Psychologie studiert und bekomme in christlichen Kreisen gern mal eins auf die Nase für meine psychologischen Einsichten, weil sie ja vollkommen ungeistlich sind. Doch die Bibel ist voll von Psychologie! Nur geht es eben darum, dass wir diese psychischen oder besser seelischen Mechanismen unter die Füße kriegen. Das, was Paulus und Jakobus hier beschreiben, sind nichts anderes als die handelsüblichen Ausstattungsmerkmale eines durchschnittlichen Menschen. Und diese Dinge verpuffen bei unserer Wiedergeburt nicht einfach! Nur weil der Geist von neuem geboren ist und Christus persönlich in uns lebt, sind wir von unserer Gefühlsebene und in unseren zutiefst seelischen Motivationen her keine Heiligen – auch wenn wir vor Gott als heilig gelten. Nach wie vor bestehen wir aus drei Teilen, nämlich Körper, Seele oder Psyche und Geist.

Jesus war der erste, der gesagt hat: Wer sein Leben liebt, der wird es verlieren; wer aber sein Leben in dieser Welt hasst, wird es zum ewigen Leben bewahren (Joh 12,25). Der griechische Begriff, der hier für Leben gebraucht wird, lautet psyche. Im Moment des Sündenfalls hat das Ding einen gewaltigen Knacks bekommen. Das erste, was Adam und Eva taten, nachdem sie Obstsalat gegessen hatten, war, sich vor Gott zu verstecken, denn sie schämten sich. Plötzlich stand ihr Ego im Mittelpunkt. Plötzlich ging es um sie selbst. Wenn wir also unsere Psyche, unser Ego, in den Mittelpunkt stellen, werden wir verlieren.

Die Anweisungen für unsere Lebensführung im Neuen Testament sind Fleischkiller pur. Es geht um Selbstverleugnung (Mt 16,24), freiwillige Demütigung (Jak 4,6), um Verzicht (Röm 14,21), um längere Spaziergänge als geplant (Mt 5,41). Im Mittelpunkt steht dabei immer der andere. Nie das eigene Ego. Der Effekt ist das interessante an dieser Sache! In dem Moment, wo wir unser eigenes Fleisch unter die Füße kriegen – und das ist immer eine Frage unserer Entscheidung – nehmen wir jeder Form von Neid, Streit, Missgunst, Eifersucht, Selbstsucht, Manipulation (oder Zauberei), Zügellosigkeit, Zorn oder Zwietracht den Wind aus den Segeln.

Was hat das mit Ehre zu tun? Alles! Wenn in mir die Haltung von Ehre dem anderen gegenüber ist, fällt mir die Entscheidung, mein Fleisch auf den Grill zu schmeißen, sehr leicht. Denn dann geht es ja darum, den anderen höher zu achten und ihm mit Ehrerbietung zuvor zu kommen. Versuch mal mit jemandem zu streiten, der dir mit Ehrerbietung begegnet. Der Zoff dauert keine 2 Minuten, davon kannst du ausgehen. Versuch mal, einen Wettbewerb um den schönsten Lobpreis mit jemandem zu gewinnen, der dich als Lobpreiser vor dem Herrn feiert. Das kannst du vergessen! Dieser Wettbewerb findet nicht statt – mangels Teilnehmer übrigens.

Und jetzt könnten wir eigentlich diesen Blog eindampfen und nach Hause gehen, denn das Programm wird uns den Rest unseres Lebens beschäftigen. Aber ich versichere dir, es wird sehr, sehr spannend, wenn wir uns darauf einlassen. Das ist der Faktor für Schutz in unseren Gemeinden. Es ist der Faktor dafür, dass Menschen frei von Verletzungen, Angst und Druck werden und es wagen, in ihre Berufung einzusteigen. Es ist der Faktor dafür, dass Menschen zugerüstet und ausgebildet werden. Eine Haltung der Ehre erzieht, lehrt und korrigiert immer in einer auferbauenden, ermutigenden und fördernden Weise. Wie schon einmal gesagt: es ist nicht unbedingt alles immer nur toll. Aber der Blick der Ehre findet das, was lobenswert ist und mäßigt das, was es nicht ist. So eine Gemeinde wird zum Magneten, und zwar nicht nur für Christen aus der Nachbargemeinde.