Als ich ein Unmündiger war, redete ich wie ein Unmündiger, dachte wie ein Unmündiger und urteilte wie ein Unmündiger; als ich aber ein Mann wurde, tat ich weg, was zum Unmündigsein gehört (1 Kor 13,10)

Vorgestern haben wir uns die Voraussetzung angesehen, um das Erbe antreten zu können: Die Mündigkeit (Gal 4,1-2). Mich lässt dieser Gedanke seit einigen Tagen nicht los, und ich glaube mehr und mehr, dass wir zum eigentlichen nicht vordringen können, wenn wir unsere Unmündigkeit nicht loswerden. Und noch einmal zur Wiederholung: Mündigkeit hat nur bedingt mit dem Mund zu tun, mit der Fähigkeit, das richtige zu sagen.

Es ist interessant, wie Paulus hier die Dimensionen von Unmündigkeit bestätigt: Reden, Denken und Urteilen. Es bezieht sich auf unser gesamtes Verständnis der Dinge um uns herum, welche Schlüsse wir ziehen, wie wir über bestimmte Dinge reden. Und jetzt beachte den Prozess, den Paulus durchlaufen hat: er wurde zum Mann. Er wuchs – weniger altersmäßig, als vom Verständnis her. Bedenke, dass Paulus ja eine totale Wandlung erlebt hatte: Vom Saulus zum Paulus. Und ich persönlich glaube, dass er hier auf diesen Prozess eingeht, seine Verwandlung vom glühenden Christenverfolger zum glühenden Christus-Folger. Und noch etwas ist auffällig: Paulus spricht darüber, dass er alles, was zum Unmündigsein gehörte, abtat. Dieses Verb beschreibt vom griechischen her genau diesen Prozess. Etwas wird abgeschafft, aufgehoben, außer Kraft gesetzt. Dahinter steht ein aktiver, bewusster und entschiedener Prozess, und kein Automatismus.  Paulus entschied sich, bestimmte Dinge nicht länger zu sagen, zu denken oder auf eine bestimmte Weise zu beurteilen. Im Laufe seines Entwicklungsprozesses zum Mann entdeckte er, was kindisch oder unmündig ist, und hörte einfach mit Entschlossenheit auf, diese kindischen Dinge zu tun. Leider können wir ihn nicht fragen, was das eigentlich genau war, aber vielleicht hast du ja eine Idee, wovon er spricht…

Interessanterweise schreibt Paulus selbst im Epheserbrief über den Auftrag des fünffältigen Dienstes: zur Zurüstung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes des Christus, bis wir alle zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, zur vollkommenen Mannesreife, zum Maß der vollen Größe des Christus (Eph 4,12-13). Das Ziel der Zurüstung und der Erbauung ist die Einheit des Glaubens und der Erkenntnis in der Mannesreife. Noch einmal in Kolosser 1, 28: …um jeden Menschen vollkommen in Christus Jesus darzustellen. Das Wort vollkommen bedeutet nicht nur total, gänzlich, sondern auch im Status von Reife.

So, und jetzt kommt Jesus und macht dieser schönen Idee einen Strich durch die Rechnung, indem er uns auffordert: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel kommen! (Mt 18,3). Also was denn nun? Sollen wir sein wie die Kinder? Oder alles kindische ablegen? Schlauerweise hat Jesus hier ein Begriff gebraucht, der sowohl Säuglinge bezeichnet, als auch reifere Kinder. Außerdem bezieht sich Jesus in diesem Zusammenhang auf den Zustand von Sündhaftigkeit. Keine Chance also, daraus die Aufforderung zum Kindisch-Sein abzulesen.

Ihr Lieben, ich bin absolut davon überzeugt, dass wir individuell als auch in Gemeinden bestimmte Schlüssel nur dann empfangen können, wenn das Maß unserer Mündigkeit (in Christus wohlbemerkt) einen gewissen Fortschritt gemacht hat. Die Dinge des Reiches Gottes haben Sprengkraft. Wenn Gott uns den Zündschlüssel für diese Rakete gibt, kann es passieren, dass wir ohne die entsprechende Reife alles in Schutt und Asche legen. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber seit einigen Tagen lese ich diese ersten Verse in Galater 4 durch eine vollkommen neue Brille. Solange wir Erben unmündig sind, bleiben wir unter Vormündern und Verwaltern. Solange übernehmen andere (Leiter, Dienste, Gemeinden) die wirklich spannenden und explosiven Dinge des Reiches Gottes. Und solange wir als Leiter unmündig sind, verschließen wir auch denen, die uns anvertraut sind, den Zugang in bestimmte Dimensionen. Den Vorwurf hat Jesus schon den Pharisäern gemacht (Mt 23,13).

Und doch haben wir selbst es in der Hand, all diese kindischen Dinge abzutun, wie es auch Paulus getan hat. Wie geht das? Eine interessante Frage hilft dabei vielleicht. Wieviele Dinge würden wir noch genauso tun oder sagen, nachdem wir unser Gemüt abgekühlt haben? Oder nachdem wir mal diese lächerliche Religiösität abgelegt haben, die für alles einen passenden oder meistens unpassenden Bibelvers parat hat. (Tschuldigung, aber das fällt für mich definitiv unter kindische Unreife.)

Ich liebe das Wort nüchtern, denn es trifft – denke ich – genau das, was von uns erwartet wird, oder das uns zumindest den Weg in die richtige Richtung weist. Es bedeutet: ruhig, gefasst im Geist, ausgeglichen, umsichtig, leidenschaftslos. Es meint eine innere Ruhe und Gelassenheit, von Emotionen unbewegt, Umsicht und Vorsicht, die aus dem Geist heraus kommt. Dieser Lebensstil ist meistens ganz einfach – wenn die Wogen glatt sind. Doch sobald es turbulent wird, springt der Motor wieder an. Unsere Reife zeigt sich nicht dann, wenn alles schön und entspannt ist, sondern genau dann, wenn unsere vielzitierte Tube gedrückt wird. Schaffen wir es, unsere emotionale Quark-Füllung unter dem Deckel zu halten sozusagen? Oder lassen wir raus, was auf Druck unbedingt raus muss? Erinnere dich an Paulus, er hat sich schlicht verboten, noch länger zu handeln wie es reife Männer nun einfach mal nicht tun.