Ich sage aber: Wandelt im Geist, so werdet ihr die Lust des Fleisches nicht vollbringen (Gal 5,16)

Paulus gibt uns hier ein Rezept, wie wir nicht in die „Fleischfalle“ tappen: Wandel im Geist. Was heißt es, im Fleisch zu leben? Das beantwortet Paulus in den Versen 19 bis 21: Ehebruch, Unzucht, Unreinheit, Zügellosigkeit, Götzendienst, Zauberei – bis hier hin können wir meistens noch ganz entspannt bleiben und uns sagen: „Fleisch? So einen Schweinkram gibt’s bei mir nicht! Ich begehe keinen Ehebruch, treibe keine Unzucht, Götzendienst und Zauberei weise ich weit von mir!“ Gerade zum Thema Götzendienst und Zauberei wäre es mit Sicherheit interessant, mal etwas tiefer einzusteigen, um mal das eigene Potential auf diesen Spielwiesen des Fleisches zu entdecken, aber das nur am Rande. Paulus macht unaufhaltsam weiter, und wir befinden uns noch immer in der Liste der Fleischlichkeiten: Feindschaft, Streit, Eifersucht, Zorn, Selbstsucht, Zwietracht, Parteiungen, Neid, Mord, Trunkenheit und „dergleichen“. Na? Noch immer vollkommen unschuldig und fleischfrei?

Ihr Lieben, diese sogenannten „fleischlichen“ Anteile werden wir erst zu einem ausgesprochen späten Zeitpunkt unseres Lebens vollkommen los, nämlich im Moment unseres irdischen Ablebens. Bis dahin werden wir unter Garantie regelmäßig mit unserem Fleisch und dem unserer Geschwister konfrontiert werden. Gerade und besonders gern in der Gemeinde. Fleischfreiheit ist zwar ein hehrer Anspruch, aber vollkommen irreal. Fleisch wird immer eine Beilage unseres Lebens sein – auf die eine oder andere Weise. Veganer Lebensstil ausgeschlossen. Das bringt die gefallene Natur des Menschen nun einmal so mit sich, denn das Fleisch ist nichts anderes als der Restbestand der menschlichen Sündennatur. Und auch Paulus steht zu seinen eigenen Kämpfen in diesem Bereich (Röm 7).

Heute morgen ist mir bewusst geworden, warum dieses Thema so schwierig ist, und warum so viele Christen, die bis über beide Ohren im „Fleisch“ stecken, sich oft für hypergeistlich halten: Es ist absolute Unreife! Ich erinnere mich daran, dass es eine Zeit gab, wo ich plötzlich anfing, Leuchtschriften über meinem eigenen Kopf blinken zu sehen. Auf denen standen so nette Sachen wie: „Neid! Eifersucht! Mißgunst! Feindschaft!“ Plötzlich realisierte ich in einer Schärfe wie noch nie zuvor, wie tief ich mich im Fleisch bewegte. Plötzlich hielt mir jemand einen Spiegel vor die Nase, so dass ich mich an selbige fassen konnte… Und seit diesem Zeitpunkt passiert es mir regelmäßig, dass ich meine eigenen Gefühle und Gedanken sehr schnell registriere. Und oft entdecke ich da reichlich Fleischbeilage.

Im natürlichen macht jeder Mensch eine ähnliche Entwicklung durch. Ich bin jetzt nicht Entwicklungspsychologe genug, um genau sagen zu können, wann diese Phase einsetzt. Doch ab einem bestimmten Punkt entwickelt jeder Mensch die Fähigkeit zur Selbst-Reflektion. Es ist die Fähigkeit, die eigenen Gefühle und Gedanken zu analysieren, mit anderen Menschen oder Situationen in Zusammenhang zu bringen und daraus Entscheidungen abzuleiten. Es ist ein Merkmal von Reife, solche Selbstreflektionen zu durchlaufen, Schlüsse zu ziehen, unbemerkt (!) Dampf abzulassen und sich selbst sozusagen „unter Kontrolle“ zu halten. Vom menschlichen, natürlichen her ist das klar. Doch leider fehlt diese Reife sehr oft im Reich Gottes.

In Vers 21 sagt Paulus, dass „die, welche solche Dinge tun, das Reich Gottes nicht erben werden.“ Heißt das, solche Menschen kommen nicht in den Himmel? Nein. Das steht da nicht, und ich bin froh darüber, denn sonst hätte ich ziemlich schlechte Karten. Es geht um das Erbe! Und wenn du nur ein Kapitel zurückgehst, findest du in Galater 4, 1-2 den interessanten Bezug zwischen Unmündigkeit und Erbschaft. Das Erbe wurde erst dann vom Vater an den Sohn übergeben, wenn er seine Mündigkeit unter Beweis gestellt hatte. Und Mündigkeit wiederum ist nichts anderes als Reife, die sich im Denken, Entscheiden und Verhalten zeigt.

Wenn wir in unseren Gemeinden die Dimension des Reiches Gottes erleben wollen, dann haben wir hier die Antwort, warum das vielleicht noch nicht so klappt. Es ist eine geistliche Unreife, die verhindert, dass wir uns mal ohne jegliche pseudogeistliche Färbung selbst im Spiegel anschauen und zugeben: „Ich bin neidisch, ich bin eifersüchtig, ich gönne Schwester x nicht einen ihrer immer treffenden prophetischen Eindrücke!“ Es muss ja keiner hören, aber es ist ausgesprochen heilsam, wenn wir uns bewusst werden, wie viel Fleisch uns so durch den Kopf geht. Und wenn wir das endlich mal bei uns selbst erkennen, haben wir gute Chancen, geistlich zu wachsen. Achtung: Ich spreche von mir und von dir! Ich spreche nicht davon, dass du erkennst, wie neidisch, eifersüchtig oder feindlich gesinnt die werte Schwester oder der werte Bruder in der Gemeinde ist.

Ich wohne im Schwabenländle, hier ist die „Kehrwoche“ eine (fast) heilige Angelegenheit. Dabei gibt es einen Trick: Jeder kehrt vor seiner eigenen Tür! Das Ergebnis? Eine saubere Strasse. Wenn wir in unseren Gemeinden den Himmel auf Erden erleben wollen, ist das der Schlüssel: Wenn jeder den Dreck vor der eigenen Tür entdeckt und beseitigt, ohne dass jemand erst mit dem Finger darauf zeigen muss, haben wir gute Chancen für einen riesigen Reifesprung. Derjenige, der das absolute Recht hat, uns mit der Nase auf unser Fleisch zu stoßen, ist der Heilige Geist. Bitte ihn, dir deine Baustellen zu zeigen. Er wird es tun, und zwar ganz ohne Peitscheknallen oder peinliche Beschämung. Und du wirst immer schneller lernen, deine Gefühle und Gedanken zu erkennen, unter Kontrolle zu halten und dich so zu entscheiden und zu verhalten, wie es dem Geist entspricht.