Da brach er von dort auf und grub einen weiteren Brunnen; um den stritten sie sich nicht, darum nannte er ihn Rechobot und sprach: Nun hat uns der Herr einen weiten Raum gemacht, damit wir fruchtbar sein können im Land! (1 Mose 26,22)

Seit Tagen beschäftigt mich gedanklich diese Situation. Isaak lebt nach dem Tod seines Vaters Abraham im Land Gerar. Wie seinem Vater hatte Gott gesagt: Sei ein Fremdling in diesem Land, und ich will mit dir sein und dich segnen (V 3). Was heißt es, ein Fremdling zu sein? Es bedeutet, allenfalls Gaststatus zu haben, geduldet zu sein, keinerlei Bürgerrechte zu besitzen. Abraham und Isaak lebten beide mit ihren kompletten Familien als Gäste in einem fremden Land. Und zwar im Auftrag Gottes.

Siehst du schon die Parallele zu dir? In seinem ersten Brief betont Petrus zweimal den Status derer, an die er schreibt: Ihr seid Fremdlinge! Vergesst das nicht! Verhaltet euch dementsprechend! Seit wir von neuem geboren sind, sind wir Fremdlinge auf Planet Erde. Wir haben hier kein Bürgerrecht mehr! Diese Tatsache muss ich selbst auch erst mal verdauen, aber die Lage ist klar! Auch Paulus schreibt in seinem Epheserbrief darüber, dass wir Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen sind (Eph 2,19). Es hat eine Verschiebung stattgefunden, als wir uns bekehrt haben. Im Himmel sind wir nun Bürger und Hausgenossen (mit allen Rechten und Pflichten sozusagen) – auf Erden sind wir Fremdlinge, Gäste, geduldet. Für unser Leben auf Erden ist das von größter Tragweite.

Ehrlich gesagt: Mir wird schlecht, wenn ich mitbekomme, wie Christen rumwettern, auf ihre Rechte pochen, Call-Center-Mitarbeiter nach allen Regeln der Kunst zusammenstauchen, sich auf ihren Status als Kind Gottes berufen (was beinhaltet, dass für sie damit ja andere Regeln gelten – nämlich königliche Behandlung) und ähnliches. Weit gefehlt, Ihr Lieben, sehr weit gefehlt! Unsere Rechte haben wir im Himmel, auf Erden sind wir im besten Fall gern gesehene Gäste. Im schlimmsten Fall werden wir behandelt wie Aussätzige – und zwar zu Recht! Damit spreche ich natürlich nicht von deinen Rechten als Staatsbürger. Wir müssen auseinanderhalten, dass es in dieser Angelegenheit eine geistliche und eine natürliche Seite gibt. Wenn wir erleben, dass ganz praktische Dinge gegen uns laufen, wir schlecht behandelt werden – ich schlage mich seit zwei Tagen mit der Tatsache herum, dass mein Telefon- und Internetanschluss noch immer nicht funktionieren und kann die Call-Center-Mitarbeiter bald mit Vornamen ansprechen, mittlerweile kenne ich sowohl die Früh- als auch die Spätschicht… wenn wir also erleben, dass irdische Dinge nicht so laufen, wie es uns als Kindern Gottes gefälligst zusteht, dann müssen uns zwei Dinge bewusst sein: 1. KANN es sein, dass Satan die Gelegenheit nutzt, uns eins reinzuwürgen, 2. hat er das Recht dazu. Wir sind schließlich auf seinem Terrain.

Als ich gelesen habe, wie das bei Abraham und später bei Isaak gelaufen ist, hat mich speziell bei Abraham eine Sache fasziniert: Er ist seinen „Gastgebern“ mit höchstem Respekt begegnet, mit viel Demut und Unterordnung. Die Folge war Vorzugsbehandlung und Gunst. Isaak grub zwei kostbare Brunnen und verlor sie sofort an die eigentlichen Bürger des Landes. Seine Reaktion: Er zog weiter und grub einen weiteren Brunnen. Dort hatte er dann endlich seine Ruhe, aber beachte, wie er die Lage einschätzt: Nun hat der Herr uns weiten Raum gemacht. Er schreibt sich das nicht selbst zu und auch nicht der Unlust seiner Widersacher, sich noch länger mit ihm zu beschäftigen. Er schreibt es dem Handeln und Eingreifen Gottes zu! Und das ist eine Lektion für sich.

Worum geht es mir heute? Es geht mir darum, dass wir natürlich Vollmacht haben, auf Schlangen und Skorpione zu treten. Natürlich muss der Feind fliehen, wenn wir ihm widerstehen. Natürlich sind wir Kopf und nicht Schwanz. ABER: Hier auf Erden sind wir ohne Bürgerrechte. Mir geht es heute darum, Demut auf einem ganz neuen Gebiet zu lernen, nämlich dann, wenn Dinge gegen dich laufen, wo du möglicherweise sogar auf Rechte und Verträge pochen könntest. Hier ist geschickte Verhandlung gefragt! Wie geht das praktisch? Bei VW hatten wir einen Leitsatz: Hart in der Sache, sanft mit der Person. Genau darum geht es. Sanft, respektvoll, freundlich und sozusagen „demütig“ im Umgang mit dem Menschen, mit dem du dich gerade auseinandersetzen musst. Sei dir darüber im klaren, dass er vom geistlichen Standpunkt her vermutlich vollberechtigter Bürger dieses Landes ist. Du bist es nicht. Aber sei dir zweitens darüber im klaren, dass Gott mit dir ist.

Der Trick, dass Satan fliehen muss, wenn du ihm widerstehst, funktioniert nur unter einer gern unterschlagenen Voraussetzung: nämlich, dass du dich vorher unter Gottes mächtige Hand demütigst! (Jak 4,7) Das beinhaltet also, dass wir einen Gang runterschalten und Gott Raum geben. Poche nicht auf dein Recht – poche (innerlich!) darauf, dass Gott dir Recht verschaffen wird. Und dann entspann dich und mach es wie Isaak: Zur Not musst du eben weiterziehen und einen neuen Brunnen graben. Aber du wirst das Wasser bekommen, das du brauchst, dafür wird Gott sorgen!