Und Jakob sah, daß Labans Angesicht ihm gegenüber nicht mehr war wie früher. (1 Mose 31,2)

Ein knappes Kapitel vor dieser Feststellung Jakobs hatte Laban noch zu ihm gesagt: Ach, dass ich doch in deinen Augen Gnade fände! Ich habe ja erfahren, dass der Herr mich um deinetwillen gesegnet hat! Laban hatte erkannt, dass es ihm und seinem Besitz saugut ging, was er Jakob zu verdanken hatte. Er bemüht sich aus diesem Grund um eine gute Beziehung zu Jakob. Er ist derjenige, der sich sozusagen an Jakob ranschmeißt. Und nun muss Jakob feststellen, dass bei Laban offensichtlich ein Sinneswandel eingetreten ist. Was war passiert?

Jakob war ja bei Laban gelandet, als er auf der Flucht vor seinem tobenden Bruder Esau war. Dort hat Jakob Lea und Rahel geheiratet, reichlich Söhne bekommen und für gewaltigen Zuwachs des Reichtums Labans gesorgt. Doch nun war es Zeit für eine Veränderung. Und das ist der kritische Punkt Nummer 1: Freundschaften bestehen oft, solange es keine Veränderung gibt. Jakob war Labans bester Freund, solange er dafür sorgte, dass Labans Reichtum wuchs. Nun macht Jakob deutlich: Zeit für mich, mich um meine eigene Familie zu kümmern. Was bedeutet, dass Labans wichtigster Wachstumsfaktor seinen Laden verlässt und vermutlich zur Konkurrenz wird.

Das Problem an dieser Veränderung war auch, dass Jakob mit dem vereinbarten und rechtmäßig erworbenen Lohn gehen wollte. Er hatte zwar etwas getrickst bei der Geburtenkontrolle der gescheckten und gestreiften Schafe und Ziegen (Kap. 30), aber in Kapitel 31 kannst du nachlesen, dass eigentlich Gott dahintersteckte, der dafür sorgte, dass die einfarbigen Tiere gescheckten Nachwuchs warfen. Jakob war mit wenig gekommen, hatte für Multiplikation gesorgt, und sollte mit viel wieder gehen. Kritischer Punkt Nummer 2: Freunde bleiben deine Freunde, solange du hast, was du hast, und bist, wer du bist. Solange du kalkulierbar bist, die Menschen um dich herum wissen: Das ist Lieschen Müller aus Kuhdorf. Sobald sie in die große Stadt kommt, ist sie hilflos, aber dafür bin ich ja da! Solange Menschen um dich herum deine Begrenzungen kennen und ihre Erfüllung darin finden, dir zu helfen, wenn du an deine Grenzen kommst, werden sie erstens alles versuchen, dass du in deinen bekannten Grenzen bleibst, und zweitens, dass du ja nicht wächst und dich veränderst. Wenn du dich veränderst, können sie dich nicht mehr kalkulieren.

Das nächste Problem zwischen Jakob und Laban war die Zukunft Jakobs. Jakob sollte das Haus Labans mit reichlich Startkapital für ein eigenes Unternehmen verlassen. Bis zu diesem Moment konnte sich Laban noch dafür auf die Schultern klopfen, dass er derjenige war, der Jakob das alles ermöglicht hatte. Aber alles, was danach kommen würde, wäre allein Jakobs Verdienst. Laban konnte sich dafür keinen Lorbeerkranz mehr binden. Aber eigentlicht war Jakob ja von vorn herein nur gekommen, um irgendwann wieder zu gehen! Kritischer Punkt Nummer drei: Freunde bleiben Freunde, solange deine Zukunft noch nicht begonnen hat.

Unsere Beziehungen sind einer der wichtigsten Einflussfaktoren darauf, ob wir in unsere Bestimmung von Gott her eintreten oder nicht. Die Menschen um uns herum können uns fördern oder behindern. Bei guten und zum Teil langjährigen Freundschaften ist dies die größte Gefahr: Was passiert, wenn alles anders wird? Wenn in deinem Leben Veränderungen eintreten, die dich näher an deine Bestimmung bringen, kannst du davon ausgehen, dass sich auch deine Beziehungen verändern. Die einen werden ihr Angesicht dir gegenüber verändern. Sie werden mit deinen Veränderungen nicht klarkommen, weil eure Beziehung auf einmal nicht mehr so funktioniert wie zuvor. Du bist anders, du spielst nicht mehr nach den bisherigen Beziehungsregeln, du machst Dinge anders als zuvor, du machst andere Dinge als zuvor – und damit kommen manche nicht zurecht. Sie werden versuchen, dich in die alten Muster zu pressen. Wenn es ihnen gelingt – weil ja eure Freundschaft auf dem Spiel steht – wirst du Kompromisse eingehen und kannst deine Bestimmung nicht (in aller Fülle) erreichen. Unmöglich.

Die anderen werden feststellen, dass sich dein Angesicht verändert hat. Jakob hatte am Ende dieser Story wahrscheinlich kaum noch Ähnlichkeit mit dem Knaben, der frisch von Mama geschickt worden war. Jakob hat sich verändert, ist gereift, hat gelernt und ist gewachsen. Das gleiche sollte mit dir passieren! Und Menschen um dich herum werden deine Veränderung bemerken. Echte Freunde sind die, die dein Wachstum, deine Reife, deine neuen Fähigkeiten und Chancen feiern. Sie merken zwar, dass sie dich regelrecht neu kennenlernen müssen, weil du plötzlich irgendwie anders tickst, aber damit kommen sie klar. Sie zwingen dich nicht zur Rückkehr zum Alten, sondern passen sich deiner Veränderung an und bleiben deine Wegbegleiter. Das sind die Menschen, die du in deinem Leben willst!

Ich habe gerade ein großartiges Booklet mit dem Titel „Nicht jeder kann dahin gehen, wohin Gott dich führt“ übersetzt, es kommt in einigen Wochen in Deutschland auf den Markt. Es hat mir ganz neu die Augen dafür geöffnet, wie wichtig unsere Beziehungen sind – weil sie enormen Einfluss darauf haben, ob wir in unsere Berufung eintreten werden. Solange uns Freundschaften wichtiger sind als der Weg, den Gott für uns vorgesehen hat, haben wir keine Chance. Doch wenn wir bereit sind loszulassen, das Ende von Beziehungen in Kauf zu nehmen – um der Berufung Gottes willen – wird der Gewinn weitaus größer sein, als unser scheinbarer Verlust.

Ich weiß, dass es vom emotionalen Standpunkt her ein hartes Thema ist. Doch „Kein Mensch ist es wert, dass du um seinetwillen deine Bestimmung verlierst“ (Bobby Hogan).