Da ging Ananias hin und trat in das Haus; und er legte ihm die Hände auf und sprach: Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir erschienen ist auf der Straße, die du herkamst, damit du wieder sehend wirst und erfüllt wirst mit dem Heiligen Geist! (Apg 9,17)

„Wir müssen raus! Wir müssen evangelisieren! Wir müssen Menschen von Jesus erzählen!“ – Dieses Thema war für mich von meiner Bekehrung an schwierig. Ich wollte nicht evangelisieren. Mir war das irgendwie peinlich – was wiederum peinlich für mich ist… Und auch heute kriege ich einen komischen Knoten sowohl in Hirn- als auch in Magengegend, wenn es um dieses Thema geht. Nur der Grund dafür ist mittlerweile ein anderer.

In der Begebenheit in der Apostelgeschichte sind gerade zwei Sachen passiert: Saulus wurde buchstäblich von seinem hohen Roß geschubst und mit Blindheit geschlagen, weil er die Gemeinde und damit Jesus persönlich verfolgte. Und der Herr ließ ihn wissen, wer er war! Und als zweites erschien der Herr dem Ananias und ließ ihn wissen, was er Saulus hatte wissen lassen. Ananias geht also zu Saulus (einem Mann, der Massen von Geschwistern von Ananias getötet hat), spricht ihn mit „Bruder“ an, legt ihm die Hände auf, macht gar nicht viele Worte, und das Resultat kennen wir: Aus Saulus wird Paulus, einem der glühendsten Nachfolger Jesu von diesem Moment an, und er kann wieder sehen.

Ananias hielt Saulus keinen langen Vortrag, keine Bußpredigt, keine „Wenn du Jesus hast, ist Blindsein gar nicht mehr so schlimm“-Predigt, keine „Einladung“ im Sinne von: „Und wenn du dich bekehren möchtest, dann kannst du das heute abend auch ganz allein in deinem Bett tun“. Nein, Ananias kam mit einer sehr kurzen Botschaft und einer sehr starken Salbung.

Paulus selbst schreibt später den Korinthern: „Ich bin nicht mit starken Worten und flammenden Reden zu euch gekommen. Meine Verkündigung bestand nicht in super-überzeugenden Worten, sondern in der Demonstration der Kraft Gottes!“ (1. Kor 2,1-4).

Ich befürchte, dass sehr, sehr viele Menschen, die später einmal in der Hölle landen, in ihrem Leben vorher Menchen begegnet sind, die ihnen von Jesus erzählt haben – und die auf diese Weise dazu beigetragen haben, dass Menschen sich weiter von Gott entfernt haben, als es ohne ihren „evangelistischen Einsatz“ der Fall gewesen wäre. Ich will niemanden anklagen oder verdammen. Aber mir wird eine Sache immer bewusster: Wenn wir evangelisieren, muss das vollkommen aus dem Geist geschehen. Wir müssen in der Lage sein, die Menschen zu erkennen, zu denen Gott uns führt, damit sie im richtigen Moment die richtigen Worte hören und eine Antwort bekommen. Und auf dem Weg dorthin müssen wir all die anderen vollkommen in Ruhe lassen! Wenn ein Mensch nicht offen ist für ein Wort von Gott, kann das falsche Wort zur falschen Zeit dazu führen, dass so jemand noch weiter in die Anti-Richtung geführt wird! Und für denjenigen, der diesem Menschen dienen soll, wird die Schwelle noch höher.

Den zweiten Aspekt zu diesem Thema will ich mal bewusst als eine scharfe These formulieren: Wenn wir nicht in der Lage sind, den Menschen so in der Salbung zu dienen, dass sie der Kraft Gottes begegnen, haben wir kein Recht zu evangelisieren! Lass mich erklären, wie ich das meine. Jesus hat seine Jünger losgeschickt, um Kranke zu heilen, Tote aufzuerwecken, Dämonen auszutreiben und das Reich Gottes zu verkündigen. Wo immer seine Jünger hinkamen, haben sie verkündet und gehandelt. Paulus war sich bewusst, dass er den Korinthern mehr geben musste als Worte, die besser klingen als die griechischer Philosophen.

Ich möchte dich heute morgen herausfordern. Wenn du rausgehen und Menschen zu Jesus führen willst, dann stell dir eine Frage: Was hast du ihnen zu geben außer deiner eigenen Begeisterung für Jesus und deine persönlichen Erlebnisse mit ihm? Was kannst du einem Menschen geben, damit er die Kraft Gottes erlebt?

Ich liebe die Geistesgaben. Doch zu oft werden sie allein für den Gebrauch in der Gemeinde reserviert. Ich glaube, Wort der Erkenntnis, Wort der Weisheit, Weissagung, Heilung, Wunderwirkungen usw. sind unerlässliche Geistesgaben, um die Nichtbekehrten zu erreichen! Sie brauchen eine Berührung mit der Kraft Gottes. Mache dir dabei eines bewusst: Diese Gaben fließen, weil die Salbung Gottes auf dir liegt. Gnadengaben und Salbung sind untrennbar miteinander verbunden. Ohne Salbung kannst du in diesen Bereichen nicht dienen. Und jetzt mache dir folgendes bewusst: Die nichtbekehrten Menschen, denen du von Jesus erzählen willst, befinden sich im Reich Satans. Sie sind Gefangene, die Befreiung brauchen. Sie befinden sich unter dem Jochs Satans. Und was sagt uns Jesaja 10, 27: Das Joch wird zersprengt werden wegen der Salbung!

Wir können keinen einzigen Menschen aus der Gebundenheit Satans befreien. Einzig und allein die Salbung zerbricht das Joch. Nicht schöne Worte, nicht tolle Erfahrungen. Versteh mich nicht falsch: Dein Zeugnis kann so voller Salbung sein, dass Menschen tatsächlich von dem satanischen Joch befreit werden. Doch das ist nur dann der Fall, wenn du vom Geist geleitet am richtigen Ort mit dem richtigen Menschen sprichst und die Salbung Gottes zu fließen beginnt.

„Evangelisieren“ sollte eigentlich genau folgendes sein: Unbekehrten in der Salbung Gottes dienen. Wenn wir noch nicht gelernt haben, wie diese Salbung durch uns wirken kann, sollte das unsere erste Baustelle sein, bevor wir überhaupt darüber nachdenken, ob wir uns am Samstag zum „Evangelisieren“ in der Fußgängerzone treffen…