Siehe, der Sämann ging aus, um zu säen. (Mt. 13,3)
Dieser Satz ist die Einleitung Jesu für das bekannte Beispiel vom Sämann. Nachdem ich seit fast einer Woche regelmäßig darauf stoße, lass uns dieses Gleichnis einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten als üblich. Wenn du ein Hobbygärtner bist oder warst, weißt du bestimmt, dass es unterschiedliche Methoden gibt, wie man sät. Als Kind hatte ich im Garten meiner Eltern immer ein Beet, auf dem ich machen konnte, was ich wollte. Und so wuchsen dort in trauter Eintracht Stiefmütterchen und Mohrrüben. Ich erinnere mich noch, wie meine Mutter mir zeigte, wie man Mohrrüben und Radieschen sät: Man zieht mit dem Finger oder einem Stöckchen eine lange Linie (nicht zu tief und nicht zu flach), legt in diese Rinne in angemessenen Abständen jeweils ein Samenkorn, deckt das Ganze mit Erde zu und gießt es. Bei Getreide sieht das anders aus, denn jeder Sämann würde irre werden, wenn er ein ganzes Weizenfeld auf diese Weise bearbeiten müsste.
Der Sämann hatte früher einen Beutel oder ein Gefäß mit dem Samen in der Hand, ging über das Feld und streute den Samen großzügig und weit aus. Kein Sämann (weder damals noch heute) hat eine Truppe von Leuten dabei, die den Feldrand, Baumgruppen oder Feldwege nach verirrten Samenkörnern absuchen! Es wird gesät, man zielt dabei auf den fruchtbaren Acker, aber es wird billigend in Kauf genommen, dass das eine oder andere Samenkorn auf den Weg, unter die Dornen oder auf den felsigen Boden fällt – genau wie im Gleichnis vom Sämann auch.
Und jetzt lass uns mal genauer hinschauen. Heute morgen habe ich mir beim Lesen dieses Gleichnisses eine Frage gestellt: Was wäre gewesen, wenn… ? Same fällt an den Weg und wird von Vögeln gefressen. Anderes fällt auf steinigen Boden und verdorrt in der prallen Sonne. Unter den Dornen wird es erstickt. Doch hier steht nicht, dass das ein Gesetz ist wie die Schwerkraft! Wenn du dich in der Natur umschaust, findest du immer wieder Beispiele von Pflanzen, die dort wachsen, wo man es am wenigsten erwartet. Was wäre also gewesen, wenn ein Samenkorn am Weg nicht gefressen worden wäre? Wenn es keine Hitzewelle gegeben hätte und der Same die Chance gehabt hätte, sich im Boden festzukrallen? Wenn jemand gekommen wäre und die Dornen abgemäht hätte? Das Ganze mag dir gerade seltsam trivial erscheinen, aber bleib mal noch einen Moment dran.
Der Sämann ist natürlich schlau genug, sich mit der Masse seines Saatguts auf fruchtbaren Boden zu konzentrieren, denn schließlich geht es ja um seine Ernte! Er braucht das Resultat! Dennoch ist er nicht so verbohrt, jedes einzelne Samenkorn zu kontrollieren, wo es denn gerade gelandet ist. Jeder Same, der schlussendlich aufgeht und wächst, hat das Potential, Frucht zu bringen – nur bekommt der Sämann davon nicht unbedingt etwas mit. Und manchmal bemerkt man erst Jahre später, dass dort ein Nussbaum steht, wo ein Eichhörnchen mal eine Nuss aus seinem Wintervorrat vergessen hat. Manchmal kommt jemand anderes und gießt genau die Stelle unter den Dornen, wo du gerade „versehentlich“ ein Samenkorn hingeworfen hast. Und drei Tage später rückt die städtische Grünpflegetruppe an und mäht das Ganze. Und schon kriegt so ein frisch geworfenes Saatkorn viel mehr Luft.
Paulus schreibt: Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott aber hat das Gedeihen gegeben (1. Kor 3,6). Weißt du, ein gesunder Same hat das Potential Frucht zu bringen – selbst unter widrigen Umständen. Wir merken nicht unbedingt etwas davon, doch hast du schon mal gesehen, dass die Wurzel eines Baumes, der plötzlich in einer Hauswand wächst, Rissen in der Mauer bewirken kann? Kannst du dir vorstellen, dass der Same, den du auf das harte Herz eines Menschen säst, Risse in diesen Felsen treiben kann?
Ihr Lieben, wenn wir als Christen voll sind mit Liebe, Wort und Gnade Gottes, dann haben wir dieser Welt etwas zu geben, womit wir durchaus großzügig und verschwenderisch sein dürfen! Jemand hat mal gesagt: „Sei vorsichtig, wann und wo du die Liebe Gottes fließen lässt, es könnte die Menschen wuschig machen.“ So ein Blödsinn! Wir haben die Saat in uns, die einem Menschen das Leben retten kann. Wenn wir in Sauberkeit und frei von Manipulation mit den Dingen Gottes umgehen, kann auch der Same nicht mutieren und verkorkste Frucht hervorbringen! (Wow, das war gerade eine Offenbarung für mich!)
Jesaja schreibt über die Steppe, die blüht wie ein Narzissenfeld (Jes 35,1). Wusstest du, dass Wüsten in Afrika innerhalb kürzester Zeit grünen und blühen, wenn es dort mal alle Jubeljahre regnet? Es liegt nicht am Mangel von Samen, dass dort nichts wächst, es liegt an den Wetterbedingungen! Lass uns anfangen, das Wort zu säen wie jemand, der ein ganzes Feld zu beackern hat, und nicht wie jemand, der zehn Radieschensamen möglichst effektiv unterbringen muss. Und lass uns dafür glauben, dass jeder Same, der nicht gleich in Frucht explodiert, von einem anderen begossen und dem dritten gedüngt wird. Es ist Gott, der das Wachstum schenkt – wir allerdings haben den Job des Sämanns…