So geh nun hin! Denn ich will dich zu dem Pharao senden, damit du mein Volk, die Kinder Israels, aus Ägypten führst! Mose aber sprach zu Gott: Wer bin ich, daß ich zum Pharao gehen, und daß ich die Kinder Israels aus Ägypten führen sollte? (2 Mose 3,10-11)

Vierzig Jahre vorher hat Mose einen Ägypter erschlagen und wollte endlich sein Volk befreien. Er wusste, dass das seine Berufung war, aber der Schuss ging nach hinten los. Kleinlaut und gedemütigt verzieht er sich in die Wüste, aus der er vierzig Jahre später zurückkehrt – vollkommen verändert und weit weniger forsch…

War er „zerbrochen“ worden? Muss jeder, der Gott dienen will, erst einen Zerbruch erleben? Einige Prediger reden viel über Zerbruch, und ich dachte lange Zeit: „Niemals! Gott will mich nicht zerbrechen!“ Heute denke ich anders, aber ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass Zerbruch die Folge eines riesigen Spagats ist. Denn: Zerbruch erfordert Kraft! Wenn du eine weiche Weidengerte biegst, kannst du sogar einen Knoten reinmachen – da bricht gar nichts. Versuch das mal mit dem Ast einer Eiche… Lass mich erklären, wie ich das meine.

In 1. Johannes 4,18 heißt es: Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus (…). Die vollkommene Liebe ist nach dem griechischen Begriff die ans Ziel gekommene Liebe. Gottes Liebe kam am Kreuz von Golgatha ans Ziel, weil ab diesem Moment jeder Mensch durch das Opfer Jesu errettet werden konnte. So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab (Joh 3,16). Soviel also zur Liebe. Was hat es mit der Furcht auf sich?

Der Frage kommen wir auf die Spur, wenn wir verstehen, dass Furcht zur Natur Satans gehört: …und alle diejenigen befreite, die durch Todesfurcht ihr ganzes Leben hindurch in Knechtschaft gehalten wurden (Hebr 2,15). Aber Furcht ist nicht nur die Angst in schrecklichen oder besorgniserregenden Situationen. Hinter Furcht als solches steht eine einzige, mehr oder minder bewusst gestellte Frage: Was wird aus mir? Manchmal ist diese Frage berechtigt, doch sie ist gleichzeitig auch der Kern von Manipulation, Kontrolle, Neid, Eifersucht, Missgunst, Stolz etc. Hinter all diesen Haltungen steht nichts anderes als die Sorge um das eigene Ego. Die Angst, zu kurz zu kommen. Die Angst, nicht geachtet zu werden. Die Angst, im Vergleich zu anderen schlecht abzuschneiden.

Hast du dich schon mal gefragt, warum es in diesem Vers um die Gegenüberstellung von Liebe und Furcht geht? Warum treibt die vollkommene Liebe die Furcht aus, und nicht den Hass? Wenn wir verstehen, dass Liebe immer auf den anderen gerichtet ist, und Furcht immer auf sich selbst zentriert, wird die Sache klar. Sogar Hass richtet sich auf einen anderen. Aber Furcht ist EGOismus in Reinform. Lies mal die ersten Verse von 1. Korinther 13 und spiel ein wenig mit den Begriffen Liebe und Furcht bzw. Egoismus. Du wirst feststellen, dass Liebe nicht neidet, nicht prahlt und sich nicht aufbläht. Egoismus tut genau das – und zwar aus Furcht, zu kurz zu kommen.

Ich spüre momentan sehr intensiv, wie sehr es dem Herrn darum geht, dass unser CHARAKTER zubereitet wird. Und wie schon in einem anderen Artikel erwähnt: Nein, das Wort steht nicht in der Bibel. Dennoch ist die Bibel voll davon. Und bloß weil es manche ignorieren wollen, ist das Thema so leicht nicht aus der Welt zu schaffen. Ein Autor hat mal gesagt, dass Früchte wachsen, während Gaben einfach gegeben werden. Jesus betonte: Wenn ihr in mir bleibt, und ich in euch, bringt ihr viel FRUCHT (und nicht: ... empfangt ihr Geistesgaben, dass es kracht)! Wir müssen die Wertigkeiten wieder klarkriegen! Denn beachte 1. Korinther 13,1-2: Hier geht es um Zungenrede, Offenbarung, Erkenntnis, Weissagung und sogar Glauben! Aber ohne Liebe und schlussendlich egoistisch ist das alles vollkommen wertlos. Krass, oder?

Das einzige, was unseren Egoismus (und den hat jeder von uns!) austreibt, ist die Liebe Gottes. Wenn diese Gefühle aufsteigen, besteht die einzige Rettung darin, uns vor Gott zu schmeißen und ihm zu sagen: Du hast Pläne für mich. Meine Ehre kommt allein von Dir. Du kannst mich erhöhen zu Deiner Zeit. Du bist mein Hirte, Du stillst all meinen Mangel! DAS ist Charakterschulung, wenn wir unseren Egoismus, unsere manipulaitven Züge, unseren Stolz unter unsere Füße treten. Und das macht meistens nicht viel Spaß… Es schult und schleift dich wie kaum etwas anderes.

Was ist nun mit Zerbruch? Ich bin mittlerweile zu der Überzeugung gekommen, dass Zerbruch die Konsequenz eines geistlichen Armdrückens mit Gott ist. Auf der einen Seite steht jemand, der von ganzem Herzen Gott dienen will, der es absolut ernst meint. Auf der anderen Seite steht Gott, der die Spielregeln dafür macht. Der Mensch wiederum will zwar einerseits von ganzem Herzen, andererseits jedoch nur zu bestimmten Bedingungen. Er weicht diesen Schleifprozessen aus. Gott allerdings bleibt bei seiner Meinung. Der Mensch geht seinen Weg weiter mit Gott, wächst und lernt in vielen Bereichen, lässt Gott aber nicht an seinen Charakter. Gott bleibt bei seinen Spielregeln. Und das kann über Jahre so laufen! Es sieht alles gut aus, es wächst sogar etwas, es entstehen vielleicht sogar Gemeinden dadurch, aber es kommt der Tag, an dem eine Art Plateau erreicht ist. Es geht keinen Schritt mehr weiter, weil Gott keinen weiteren Schritt mehr mitgeht. Denn diese nächste Etappe erfordert einen Menschen mit einem erneuerten Wesen (um mal Bibelsprache statt Charakter zu gebrauchen). Und nun beginnt das eigentliche Ringen: Der Mensch will und drückt und kämpft, aber Gott bleibt eisern. Der Mensch beginnt zu fragen und zu forschen, warum es nicht weitergeht, kämpft gegen den bösen, bösen Feind, der anscheinend sämtliche Horden in Bewegung gesetzt hat, und Gott hält einfach nur still. Auch diese Etappe kann eine sehr lange Zeit gehen – es hängt vom Atem der Beteiligten ab (und du kannst sicher sein, dass Gott den längeren Atem hat). Irgendwann kommt der Moment der Kapitulation. Der Mensch ist vollkommen am Ende mit seiner physischen und seelischen Kraft, der Glaube ist im Keller, möglicherweise auch die Finanzen, Beziehungen sind zerstört, es bleibt nur die Aufgabe. Und Gott kann diesen Menschen zum ersten Mal (unter Umständen seit Jahren) wieder erreichen. Und wenn der Mensch dann endlich anfängt, klar zu sehen, erkennt er, was all die Jahre zuvor eigentlich geschehen ist, während er meinte, Reich Gottes zu bauen… Das ist der eigentliche Zerbruch.

War es Gottes Wille? Nein. Hätte das Ganze schneller und weniger schmerzhaft passieren können? Ja. Ich bin davon überzeugt, dass Zerbruch nur dann kommt, wenn wir vorher nicht biegsam oder beugsam sind. Gepaart mit der Entschlossenheit, Gott zu dienen, führt uns Unbeugsamkeit auf den Kurs Richtung Zerbruch. Und der Zerbruch besteht schlussendlich darin zu erkennen, dass man über Jahre oder sogar Jahrzehnte konsequent und entschlossen an Gott, seinem Wort und seinem Geist festgehalten hat, und gleichzeitig ebenso entschlossen und konsequent seinen eigenen Weg gegangen ist. Doch am Ende bleibt doch nur ein qualmender Haufen Asche (1. Kor 3,12-15). Zerbruch kommt nicht von Gott – Zerbruch kommt als Konsequenz unseres langen, langen Wegs der zwiespältigen Hingabe, die irgendwann zum Ende kommen muss.

Ihr Lieben, sorry für einen sehr langen Text heute. Doch dieses Thema ist extrem ernst. König Saul hat seine Unbeugsamkeit schlussendlich mit seinem Leben bezahlt. David hat reichlich Korrektur eingesteckt, doch ihm wurde sein Thron zurückgegeben, den Absalom ihm streitig gemacht hatte. Wenn wir für Gott brauchbar sein wollen, geht es nicht ohne ein weiches, beugsames Herz, das in der Lage ist, sich selbst aufzugeben, um das Leben Christi zu gewinnen (Mt 16,24-27).