Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung. (Gal 5,22)
Wir befinden uns noch immer in der Charakter-Thematik. Je länger ich mich damit befasse, desto mehr staune ich über die „Mechanismen“ des Geistes, und was manche daraus machen. Und desto mehr staune ich, was eigentlich in der Bibel steht. Lass uns einsteigen mit zwei Versen aus 2. Korinther 5:
Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen; siehe, es ist alles neu geworden! (…) Denn er hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm zur Gerechtigkeit Gottes würden. (V 17 + 21)
Diese Verse beschreiben das Wunder unserer neuen Geburt. Unsere alte sündige Natur ist vergangen, wir haben in Christus eine neue Natur bekommen. Doch Vers 21 konkretisiert das ein wenig: Wir sind durch dieses Ereignis zur Gerechtigkeit geworden, die vor Gott gilt – aber wir wurden nicht auf einen Schlag Christus-gleich. Es wurde vielmehr der Same des Geistes in uns hineingelegt, der es nun möglich macht, dass der Umgestaltungsprozess überhaupt beginnen kann!
Wenn du Galater 5,22 liest, siehst du eigentlich eine perfekte Beschreibung des Wesens Jesu. In dieses Ebenbild sollen wir umgestaltet werden. Die Frucht des Geistes darf nicht verwechselt werden mit der Gabe des Geistes! Und liebe Vertreter der Glaubensbewegung: Die Frucht des Geistes lässt sich nicht herbeiproklamieren! Jemand sagte mal: „Die Gnade Gottes ist kein Fallobst. Sie fällt nicht einfach auf dein Leben.“ Darüber lässt sich streiten, aber der Satz passt perfekt für die Frucht des Geistes! Die ist nun wirklich kein Fallobst.
Die Frucht des Geistes hat eine Menge mit Wachstum und Reife zu tun. Und ja, es gibt Mißernten. Denn diese Frucht steht in einem ziemlichen Gegensatz zu unserem Fleisch oder zu unserer alten Natur. Ob diese Früchte in uns zur Reife kommen, hat sehr, sehr viel mit unseren Entscheidungen zu tun. Weißt du, welches in diesem Prozess eine der wichtigsten Entscheidungen ist? Die Entscheidung, sich lieber auf die Zunge zu beißen als zu sagen, was man eigentlich gerade gern sagen will…
Kannst du dir vorstellen, dass Gott miese Behandlung erlaubt, damit du geschliffen wirst? Ich hatte eine Phase in meinem Leben, in der Verdächtigungen, Unterstellungen, Herabsetzungen, Willkür, Kontrolle und Manipulation an der Tagesordnung waren – und zwar durch Christen bzw. christliche Leiter. So etwas habe ich in der sogenannten Welt nie erlebt. Im Nachhinein habe ich mich manchmal gefragt, wie ich eigentlich da reingeraten konnte. Heute weiß ich, dass es das beste Schleifprogramm war, das ich mir hätte wünschen können. Hat es Spaß gemacht? Meistens nicht. Aber heute sehe ich einige Früchte, die ich genau dieser Zeit zu verdanken habe.
Jesus sagt in Johannes 12,24: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein; wenn es aber stirbt, so bringt es viel Frucht. Fruchtbarkeit hat sehr viel mit Sterben zu tun. Die Frucht des Geistes kann dann zu wachsen beginnen, wenn wir bereit sind, unsere alte Natur sterben zu lassen. Hast du schon mal daran gedacht, dass auch Sterben ein Prozess ist? Sterben und plötzlich tot sein sind zwei Paar Schuhe. Ich bin davon überzeugt, dass unser Sterben mit Blick auf unsere alte Natur ebenso manchmal langsam und qualvoll sein kann. Und genau darin liegt auch die Gefahr der Missernte. Hast du schon mal gehört wie jemand gesagt hat: „Ich habe jahrelang geschwiegen und mich nicht gerechtfertigt, aber jetzt reicht’s. Jetzt muss ich reden!“ Wenn du so etwas hörst, kann es sein, dass du gerade Zeuge einer Missernte wirst. Die Frucht, die da über Jahre am Wachsen gewesen ist, hat gerade ihren Weg auf dem Komposthaufen beendet.
Paulus gibt uns einen interessanten Schlüssel in Galater 5,24: Die aber Christus angehören, die haben das Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften und Lüsten. Und auch das ist bitteschön keine Glaubensaussage, sondern eine Feststellung, die sich in anderer Reihenfolge gelesen besser erschließt: Diejenigen, die ihr Fleisch samt den Leidenschaften und Lüsten gekreuzigt haben (stell‘ dir das mal bildlich vor…), die gehören Christus an, die haben Anteil an ihm und seiner Natur. Und auch hier siehst du einen Sterbeprozess mit Hammer und Nägeln. Heute schon dein Fleisch gekreuzigt? Wenn ja, dann weißt du genau in welcher Situation. Denn den Schmerz verpasst man nicht so leicht… Und übrigens hast du selbst dabei den Hammer in der Hand! Das übernimmt niemand für dich.
Verlierst du deine Errettung? Gehörst du Christus nicht mehr an, wenn du dein Fleisch nicht kreuzigst? Natürlich nicht. Deine Errettung kann dir niemand nehmen – nicht einmal dein Fleisch. Doch interessant wird es unmittelbar vor der Frucht des Geistes in Galater 5! Paulus zählt eine Reihe ganz menschlicher Phänomene auf, die mit der Frucht des Geistes nicht viel zu tun haben. Und dann sagt er etwas Entscheidendes: Die, welche solche Dinge tun, werden das Reich Gottes nicht ERBEN. Und wenn du jetzt den Anfang von Galater 4 liest, verstehst du worum es geht: Autorität, Verfügungsgewalt, Herrschaft im Geist. Ein unmündiger (oder unreifer) Erbe ist und bleibt Sohn. Doch ob er in die Position der Herrschaft eingesetzt wird, wo wirklich Dinge passieren, hängt – Gal. 5,21-22 – von seiner Reife und Fruchtbarkeit ab.
Übrigens hat diese Fahnenstange kein Ende. Es gibt mehr! Mehr Frucht, mehr Sterben, mehr Erbe, mehr Kreuzigung, mehr Christusähnlichkeit. Selbst Paulus hat gegen Ende seines Dienstes gesagt: Nicht daß ich es schon erlangt hätte oder schon vollendet wäre; ich jage aber danach, daß ich das auch ergreife, wofür ich von Christus Jesus ergriffen worden bin (Phil 3,12). Alle Achtung, Paulus…