Siehe, das Volk, das aus Ägypten gezogen ist, es bedeckt das ganze Land; so komm nun und verfluche es mir; vielleicht kann ich dann mit ihm kämpfen und es vertreiben!
(4 Mose 22,11)

Wir wollen uns heute einen weiteren Kandidaten für interessante Gedanken und Haltungen anschauen, der sich – wie wir noch sehen werden – nahtlos an Korah anschließt, nämlich Bileam. Und Bileam macht diese oben zitierte Aussage, und zwar Gott gegenüber: Lieber Gott, bitte komm nun und verfluche mir das Volk. Die Frage, die sich sofort ergibt, ist: Sag mal, Bileam, bist du eigentlich noch ganz knusper??

Bileam ist ein ausgesprochen interessanter Typ. Er stammt aus der Linie der Edomiter, gehört also nicht zum Volk Gottes, aber irgendwie kennt er doch Gott. Sein Name bedeutet Volksverschlinger, und offensichtlich ist dieser Name Programm, denn genau darum bittet ihn ja Balak: Bitte verfluche das Volk Israel, damit wir es besiegen können. Und interessanterweise wendet sich Bileam ja an Gott, den Schöpfer des Universums, und hört, was Gott zu dieser Nummer zu sagen hat! Aber: Gott sagt nein. Was nun kommt, ist bekannt. Bileam geht trotzdem mit, hält unterwegs Zwiesprache mit seinem sprechenden Esel, geht dreimal vor Gott (für den Fall, dass er seine Meinung geändert hat) und spricht dreimal Segen statt Fluch über das Volk Israel. Balak tobt, beide gehen wieder nach Hause. Ende der Geschichte.

So ganz zu Ende ist sie allerdings doch nicht, denn der Name Bileam taucht noch dreimal im Neuen Testament auf. Irgendeine Botschaft hat der Mann also sogar für uns heute noch mitzuteilen. Zunächst einmal ist es wichtig für uns festzuhalten, dass Bileam eines wusste: Ich kann keinen (wirksamen) Fluch aussprechen, wenn Gott nicht dahinter steht. Mit anderen Worten: Wenn Gott nicht mit mir kooperiert, wird das Ganze eine Null-Nummer. Und Gott verweigerte in der Tat seine Kooperation. Der Name „Volksverschlinger“ deutet auf einen gewissen Erfolg in seinem Business hin, aber in diesem Fall platzt das Geschäft.

In Offenbarung 2,14 lautet die Botschaft an die Gemeinde von Pergamus: Ich habe gegen dich, dass du dort solche hast, die an der Lehre Bileams festhalten. Worin bestand die Lehre Bileams? Er konnte das Volk Israel nicht verfluchen. Und doch sehen wir unmittelbar darauf, dass sich das Volk Gottes mit den Moabitern vermischte und auf diese Weise Unzucht und Götzendienst begannen. Der Vers aus der Offenbarung verrät uns, was wir in 4. Mose nicht lesen können: Die Fluch-Aktion war gescheitert, aber Bileam gibt Balak einen Tipp, wie er das Volk doch noch knacken kann.

In Judas 11 wird Gottes Wort noch etwas deutlicher, was die Praktiken Bileams betrifft: Wehe ihnen! Denn sie sind den Weg Kains gegangen und haben sich um Gewinnes willen völlig dem Betrug Bileams hingegeben und sind durch die Widersetzlichkeit Korahs ins Verderben geraten! Der Begriff Betrug (griech. plane) ist interessant, denn er bedeutet absichtliche Täuschung. Er taucht noch an weiteren hochinteressanten Stellen auf. Bileam lehrt Balak, wie man das Volk Gottes zum Stolpern bringt. Und offensichtlich hat sich diese Technik bis ins Neue Testament hinübergerettet. In dem Artikel „Kein Domino in der Gemeinde, bitte“ haben wir uns bereits ein wenig mit diesem Thema beschäftigt.

In Judas 11 wird Bileam in einem Atemzug mit Kain und Korah genannt. Mit Korah haben wir uns vorherigen Artikel „Lektionen von der Rotte Korah“ genauer beschäftigt. Was war das Problem bei ihm? Er wollte in den Priesterdienst, in dem er nichts verloren hatte. Was war das Problem bei Kain? Er brachte ein Opfer, aber nicht gemäß der Ordnung Gottes. Was macht Bileam? Er versucht, Gottes Kraft zu aktivieren, um quasi „Einfluss“ auf das Volk Gottes zu nehmen.

Kain, Korah und Bileam haben eine Sache gemeinsam: Sie wollen mit Gott im weitesten Sinne kooperieren – aber zu ihren eigenen Bedingungen und für ihre eigenen Absichten. Alle drei fallen gehörig auf die Nase (Bileam stirbt nämlich einige Kapitel später). Auf den endzeitlichen Zusammenhang, den wir besonders im Judasbrief sehen, will ich heute gar nicht weiter eingehen. Mir geht es viel mehr um die Übertragung in unsere heutige Praxis. Wir können das Richtige wollen – doch wenn es nicht der Ordnung Gottes entspricht, werden wir damit nicht zum Ziel kommen, selbst wenn wir uns auf den Kopf stellen. Gott verweigert seine Kooperation, wenn die Dinge seinem Wort und seiner Ordnung widersprechen.

Mich lässt seit Tagen der Vers aus Johannes 3,27 nicht los: Ein Mensch kann sich nichts nehmen, es sei denn, es ist ihm vom Himmel gegeben. Hier sehen wir eine Art von Kooperation zwischen Himmel und Mensch. Der Himmel (also Gott) gibt, der Mensch nimmt oder empfängt. Steigt einer dieser beiden Kooperationspartner aus, kommt der „Deal“ nicht zustande. Hier sehen wir auch den umgekehrten Fall: Der Himmel gibt vielleicht, aber es ist niemand auf „Empfang“ geschaltet, so dass diese Gabe nicht landet (auf diese Weise können wir z. B. das Reden Gottes verpassen).

Gefährlich wird es dann, wenn wir feststellen, dass Gott seine Kooperation verweigert, und wir einen anderen Gang einlegen, um doch irgendwie ans Ziel zu kommen. Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade (Jak 4,6). Wenn Gott Gnade gibt, ist das nichts anderes als seine aktive Kooperation! Hochmut ist gleich Stolz, der Kern von Stolz ist die Unabhängigkeit von Gott. Unabhängigkeit von Gott ist gleich Ausstieg aus der Kooperation mit ihm. Was uns in der Kooperation mit dem Himmel hält, ist Demut und Sensibilität. Die Demut, sich dem Wort und den Wegen Gottes unterzuordnen, und die Sensibilität, die Wege und die Zeitpunkte Gottes zu erkennen. Wenn wir das lernen, können wir wirklich „Himmel auf Erden“ erleben.