Gott aber sei Dank, daß ihr Sklaven der Sünde gewesen, nun aber von Herzen gehorsam geworden seid dem Vorbild der Lehre, das euch überliefert worden ist (Röm 6,17)
Ich mag Vorbilder. Ich mag Menschen (am liebsten aktuell lebendig und möglichst in meiner Nähe), die so leben, dass es mich inspiriert. An denen ich beobachten und lernen kann, weil ich Einblick in ihre Vision und die Schritte habe, die sie unternehmen, um ihrer Vision näherzukommen. Und ich bin dankbar für jeden Fehler und jedes Versagen, an dem sie mich ebenfalls teilhaben lassen – es sind Lektionen für Dinge, die ich gar nicht erst in Erwägung ziehen sollte. Ihre Fehler und ihre Demut mir zu sagen, dass es ein Fehler war, spart mir enorm Energie und Zeit.
Das Interessante an Vorbildern ist jedoch, dass wir uns meistens nur einen bestimmten Ausschnitt an diesen Personen suchen, dem wir nacheifern möchten. Wir finden eine bestimmte Facette, die wir übernehmen wollen. Und je nachdem, wie wir gestrickt sind, haben wir mehrere Vorbilder für unterschiedliche Lebensbereiche. Wir suchen uns die Rosinen aus den jeweiligen Kuchen, und haben am Ende oft genau das: Einen Haufen Rosinen, aber keinen Kuchen. Wir kopieren, ohne uns selbst zu entwickeln und FORMat zu gewinnen. Wusstest du, dass es tausende von Menschen gibt, die Jesus als Vorbild haben – ohne dabei an ihn oder die Bibel zu glauben? Sie folgen einer Idee.
Wenn wir von Vorbildern sprechen, meinen wir Vorschläge. Vorbilder schlagen uns bestimmte Werte, Haltungen, Denkmuster oder Handlungsweisen vor. Je nachdem, wie ernst es uns mit dem Nacheifern der Vorbilder ist, werden wir mehr oder weniger von diesen Vorschlägen übernehmen. Und hier spricht nun Paulus vom „Vorbild der Lehre“. Was hat es mit diesem Vorbild auf sich?
Wenn wir uns den griechischen Begriff, der hier verwendet wird, genauer anschauen, werden wir feststellen, dass es nicht im geringsten um ein Vorbild, einen Vorschlag oder eine Idee geht. Der griechische Begriff lautet typos, was mit Abdruck, Prägeform oder Modell übersetzt werden kann. Ein typos ist quasi ein Gerät, mit dem etwas in Form gebracht wird. Während meiner Zeit bei einem großen Automobilhersteller bin ich häufiger in einer Fabrik unterwegs gewesen, die Karosserieteile herstellte. Da gab es riesige Maschinenstraßen mit einem speziellen Boden, denn alle paar Sekunden ging ein glattes dünnes Blech am einen Ende in die Maschine rein, dann rummste es kräftig (inklusive Bodenerschütterung), und am anderen Ende kam ein milimetergenauer Kotflügel wieder raus – ohne die geringste Delle, Ungenauigkeit oder Maßtoleranz. Wenn du ein Auto bauen willst, sind Maßabweichungen tödlich.
Von einem solchen typos der Lehre spricht Paulus hier. Und er geht sogar noch weiter, indem der zweite Teil des Satzes gemäß der Fußnote (und auch der Elberfelder Bibel) lautet: welcher ihr übergeben worden seid. Ich weiß, dass die Vorstellung für viele schrecklich ist, dass ihnen ihre Individualität geraubt werden könnte, aber wenn wir unser Leben mit Christus ernst meinen und ernst nehmen, dürfen wir uns getrost in die Lage des Bleches versetzen, auf den der typos niedersaust. Das Wort Gottes ist der Stempel, der uns in Form bringt – Gott sei Dank mit weniger Brachialgewalt als in der Industrie…
Ehrlich gesagt wundere ich mich regelmäßig über Christen, die an den einfachsten Dingen scheitern. Sie ziehen sich zurück, wenn ihnen etwas gegen den individuellen Strich geht, wenn die Dinge (oder die Geschwister und/oder die Leiter einer Gemeinde) nicht so funktionieren, wie sie es gerne hätten. Sie hören die Predigt, die wie ein Stempel einen Abdruck in ihr Leben prägen sollte – die Prägung von Liebe, von Vergebung, von Barmherzigkeit, von Großzügigkeit oder was auch immer, doch sie entscheiden, dass diese spezielle Prägung bei ihnen nicht vorgenommen wird. Kannst du dir vorstellen, wie dein Auto funktionieren soll, wenn die untere Kante deiner Kofferraumklappe nicht sauber geformt wurde, der Kotflügel gerade geblieben ist, die Tür ohne Fensterausschnitt eingebaut wurde und die Motorhaube dummerweise 10cm zu kurz ist?
Ich weiß, dass die Bibel nicht gerade vor Beispielen aus dem Automobilbau strotzt, aber lass uns dieses Bild mal verwenden. Denn im Prinzip ist es genau das, was mit jeder biblisch fundierten, geistinspirierten Predigt oder Lehre passieren sollte: Sie sollte dich und mich mehr und mehr in das Ebenbild Christi umgestalten. Unser Denken, Fühlen, Wollen und Handeln sollte in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes kommen. In 2. Korinther 3,18 spricht Paulus davon, dass wir durch das Anschauen der Herrlichkeit des Herrn verwandelt werden in dasselbe Bild. Ihr Lieben, das Wort Gottes ist dazu da, dass es etwas mit uns macht. Dass es uns schleift und formt, und manchmal muss es uns sogar beschneiden – wenn wir es denn wirklich ernst meinen! Der Punkt ist, dass unsere Freiwilligkeit dabei niemals beschnitten wird. Wir haben es selbst in der Hand, inwieweit Christus in uns Gestalt gewinnen kann, denn unser freier Wille wird uns immer die Wahl lassen, ob wir Christus nur als „Vorbild“ haben, oder ob Christus uns typos ist.
Katrin sagte:
wieder ein sehr guter und herausfordernder Artikel Ines, Danke!
aus eigenem Erleben kann ich bezeugen, dass wenn dieser typos auf unser Leben kommt uns die Individualität trotzdem nicht verloren geht…