Und er riß sich von ihnen los, ungefähr einen Steinwurf weit, kniete nieder, betete und sprach: Vater, wenn du diesen Kelch von mir nehmen willst — doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe! Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. (Lk 22,41-43)

Ich weiß nicht, wie du die letzten Wochen erlebt hast. Für mich persönlich und für einige um mich herum glichen sie einer Zerreißprobe, und zwar auf allen möglichen Ebenen. Ich weiß nicht, ob du das Gefühl kennst, dass deine Kapazität ausgereizt ist, dass du mit deiner Kraft am Anschlag bist. Wenn du weißt, was ich meine (und vielleicht noch mitten drin steckst), dann „Willkommen im Club“. In solchen Zeiten sehne ich mich persönlich nach der Entrückung, und sei es auch nur meine eigene. Aber es hilft alles nix, der Blitz vom Osten bis zum Westen bleibt aus, und Posaunen hört man auch nicht.

Jesus ging es nicht anders, und er konnte nicht einmal auf eine Entrückung hoffen. Er wusste genau, was ihm bevorstand, als er im Garten Gethsemane den größten Kampf seines Lebens hatte. Wenn du dieses Ereignis in den anderen Evangelien nachliest, liest du auch vom emotionalen Zustand Jesu: Er hatte Angst. Wenn der Sohn Gottes in seiner Gestalt als Mensch Angst hatte, brauchen wir uns nicht schämen. Jesus war 100 % Gott und 100 % Mensch. Er wurde in allem versucht wie wir (Hebr 4,15). Und in Hebräer 5,7 heißt es: Dieser hat in den Tagen seines Fleisches sowohl Bitten als auch Flehen mit lautem Rufen und Tränen dem dargebracht, der ihn aus dem Tod erretten konnte, und ist auch erhört worden um seiner Gottesfurcht willen. Jesus selbst kam an den Punkt, wo er in seiner menschlichen Seite am Anschlag war.

Solche Zeiten können die einsamsten deines Lebens sein – nicht weil Menschen dich im Stich lassen. Sondern weil es nichts gibt, was sie tun oder sagen können, was dir in irgendeiner Weise weiterhilft. Jesus „riss sich los“ von den Jüngern, die bei ihm im Garten waren. In dieser Sache konnten sie ihm nicht helfen. Sie waren selbst überfordert. In solchen Phasen können sogar Beziehungen zusätzlich auf den Prüfstand geraten. Zum einen nerven dich vielleicht die Durchhalteparolen von Freunden, zum anderen verstehen manche Menschen einfach nicht, wie es in dir gerade aussieht – und das kann man ihnen nicht einmal zum Vorwurf machen! Wie erklärt man das Gefühl, in vollkommener Finsternis zu sein, ohne Aussicht auf Hoffnung oder Veränderung, wenn die Geschwister um dich herum mit ihren biblischen Parolen ja vollkommen recht haben! Und doch fühlst und erlebst du das, was gerade mit dir oder in dir passiert, mit einer fast brutalen Realität.

Ich denke, Jesus hat sich auch deswegen von seinen Jüngern losgerissen. Sie verstanden ihn nicht, sie waren ihm keine Hilfe, und erklären konnte er ihnen die Sache auch nicht. Manchmal ist es das Beste, was du tun kannst: Sondere dich für eine Zeit ab (bevor dir diese Beziehung auch noch um die Ohren fliegt) und fokussiere dich auf den Hauptkriegsschauplatz (und wenn diese Phase vorbei ist, bitte dringend die auf Pause gesetzten Beziehungen wieder aktivieren!).

Und dann sehen wir bei Jesus das Einzige, was wir in solchen Momenten tun können: Die völlige Kapitulation vor unserem Vater im Himmel. Jesus sagte mit anderen Worten: Ich wüsste, was ich wollen würde, wenn es nach mir ginge. Aber es geht nicht nach mir. Nicht mein Wille geschehe, sondern dein Wille. Im Prinzip hat er mit dieser Aussage seinen Kampf aufgegeben. Und wenn wir das gleiche sagen, sagen wir damit: Ich höre auf, mich zu sorgen, zu kämpfen, festzuhalten. Es gibt nichts, was ich noch tun kann. Ich lasse alles los. Tu du, Gott, was du willst. Es ist der Moment, wo wir an unser eigenes Ende kommen.

Abraham erlebte das Gleiche mit seinem Sohn Isaak. Der Sohn der Verheißung sollte geopfert werden. Abraham macht sich mit ihm auf den Weg. Kannst du dir seine Gedanken und Gefühle während der mehrtägigen Reise vorstellen? Oder wie er sich gefühlt hat, als er den Altar baute, seinen Sohn fesselte und das Messer zückte? Und wann schritt Gott ein? Im letzten Moment! Wir lesen das so locker, aber ich denke, Abraham hatte einen ähnlichen Kampf.

So heftig eine solche Erfahrung sein mag: Wenn du einmal an das Ende deiner eigenen Kraft kommst und erlebst, wie Gott quasi im letzten Moment eingreift, katapultiert dich das auf eine neue Ebene. Du wirst in dir eine neue Weite spüren, eine neue Entschlossenheit und eine neue Fähigkeit, das Eingreifen Gottes zu erwarten. Es macht dich stark, weil du erlebt hast, dass du in deiner eigenen Stärke viel zu schwach bist.

Und ich garantiere dir, dass Gott eingreifen wird! Wenn er es bis jetzt noch nicht getan hat, wird der Moment noch kommen. Und manchmal greift er noch nicht ein, weil wir noch nicht an unserem Anschlag angekommen sind. Ich glaube, jeder von uns wird früher oder später von Gott an einen solchen Punkt geführt, weil Gott diese Weite in uns und die Erkenntnis unserer eigenen Schwäche braucht. Und ich bin auch davon überzeugt, dass dieser Punkt dann kommt, wenn wir in der Lage sind, es auszuhalten.

Wie ging diese Geschichte bei mir und den Menschen um mich herum aus? In dem Moment, wo jeder von uns persönlich an diesen Punkt der Kapitulation gekommen war, geschahen plötzlich erstaunliche Dinge für jeden einzelnen von uns. Wochenlange, zum Teil monatelange Blockaden lösten sich plötzlich auf, neue Salbung floss wie nie zuvor, und wir stellten gemeinsam und doch jeder für sich fest: Es ist, als wären wir in eine Lawine geraten. Plötzlich ist sie weg, und wir stehen immer noch. Erwarte das gleiche für dich und lies Psalm 37, wenn nötig mehrmals am Tag…