Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut, und erkennst nicht, daß dich Gottes Güte zur Buße leitet? (Röm 2,4)

Aus aktuellem Anlass gibt es heute gleich den nächsten Blog. Seit einigen Tagen beschäftigt mich die Frage: Wie geht Gott mit uns um? Wie sieht sein „Erziehungsprogramm“ aus? Wann endet der „Welpenschutz“ und beginnt der „Ernst des reifen Christenlebens“?

Ja, ich glaube an Erziehung, an Korrektur und an Konsequenzen. Aber ich merke auch, dass unser (oder mindestens mein) Denken und Fühlen in großem Maße Einfluss darauf hat, was wir Gott sozusagen zutrauen. Und was ich ihm zutraue, bestimmt darüber, wie ich ihn vor mir selbst und vor anderen repräsentiere.

Heute morgen wurde ich eindringlich daran erinnert, dass Gott nur und ausschließlich gut ist. Diese Aussage mag trivial erscheinen. Doch wenn es so weit kommt, dass Gottes Güte für uns trivial wird, befinden wir uns auf sehr dünnem Eis. Mir ist bewusst geworden, wie sehr ich die Liebe, Güte, Sanftheit, Geduld und Wohltat Gottes vor allem denen zuschreibe, die noch jung im Glauben sind. Für uns als „reife, gestandene, erfahrene Christen“ gilt eher die Ernsthaftigkeit und Abgeklärtheit Gottes. Schließlich ist es ja normal, dass man als „erwachsener Christ“ anders behandelt wird – unsere Eltern behandeln uns ja auch anders. Ab einem bestimmten Alter war ich bei meinen Eltern sozusagen an der „langen Leine“, und spätestens mit meinem Auszug gestanden mir meine Eltern zu, meine eigenen Entscheidungen zu treffen (und zuweilen auch die Konsequenzen dafür zu tragen). Unsere Kommunikation hat sich geändert – wir reden quasi auf Augenhöhe miteinander.

Gott selbst spricht davon, dass er nicht schlechter ist als unsere irdischen, guten Eltern (Mt 7,11). Doch anders als bei unseren irdischen Eltern muss sein Einfluss auf uns nicht mit dem „Alter“ andere Formen annehmen. Und da beginnt der Spagat in meinem Kopf: Wie bleibe ich Kind und reife gleichzeitig im Glauben zum Erben? Ich glaube, der Schlüssel liegt darin zu bedenken, dass Gott sich nicht ändert. Das Verhältnis zu unseren Eltern sollte sich mit der Zeit ändern (alles andere wäre unnormal und ungesund) – doch die Art und Weise, wie Gott mit uns umgeht, ändert sich nicht in demselben Maß.

Paulus spricht vom Reichtum der Güte, Geduld und Langmut Gottes. Gott besitzt ein absolutes Übermaß an diesen Eigenschaften. Bei ihm gibt es keine Grenzen an Güte, Geduld und Langmut. Und es ist seine Güte, die uns an den Punkt bringt zu erkennen, dass wir falsch liegen. Während wir also Abstecher nach rechts und links von unserem geraden Weg machen, arbeitet Gott in erster Linie daran, uns seine Güte vor Augen zu malen (unter Einsatz unendlicher Güte, Geduld und Langmut) und uns den Unterschied erkennen zu lassen zwischen dem, was wir gerade so treiben, und dem, was ihm eigentlich entspricht. Klingt das nach effizienter, effektiver und zügiger Methodik? Nicht wirklich. Aber es klingt nach einem Gott, der sich nach unserem Herzen ausstreckt. Und das ist wohl der gravierendste Unterschied: Während uns die Welt mit unseren Fehlern konfrontiert, konfrontiert uns Gott mit seiner Güte.

Seit einiger Zeit beschäftigen mich zwei Bücher der Bibel gleichzeitig: Die Offenbarung und das Hohelied. Diese zwei Bücher scheinen auf den ersten Blick vollkommen gegensätzlich zu sein, und doch beschreiben sie beide ein Bild von Gottes Beziehung zu uns, das nirgendwo sonst so stark für mich herauskommt. Es geht um unsere „Tauglichkeit“ als Braut und Brautgemeinde. Unsere Zeit hier auf Erden dient dazu, uns zuzurüsten oder besser gesagt: zu schmücken. Wir müssen Gott nicht mehr von unserer Eignung als Braut überzeugen. Er ist schon von uns überzeugt, und nun geht es nur noch darum, uns so weit wie irgend möglich „herauszuputzen“.

Was hinter dieser Haltung Gottes steht, ist eine Tatsache, die uns (mindestens mir) noch sehr viel bewusster werden muss: Gott ist absolut, uneingeschränkt und unaufhörlich FÜR UNS. Ich glaube, das vergessen wir manchmal. Selbst dann, wenn wir eine „Offenbarung“ über unsere Fehler und Unzulänglichkeiten haben, steht Gott vollkommen hinter uns – vielleicht auch insbesondere dann…