Strebt nach der Liebe, doch bemüht euch auch eifrig um die Geisteswirkungen; am meisten aber, daß ihr weissagt! (1 Kor 14,1)
Auf den ersten Blick scheinen die Überschrift dieses Artikels und der Einstiegsvers nichts miteinander zu tun zu haben, stimmt’s? Doch gestern abend habe ich etwas in diesem Vers gesehen, das ich so bisher noch nicht gesehen habe, und das uns bei der Frage: „Habe ich als wiedergeborener Christ ein Sündenproblem oder nicht?“ weiterhelfen kann.
Zunächst einmal gibt es unter den Christen zwei Lager: Die einen vertreten die Ansicht, dass Sünde unter Christen schon noch ein Problem ist, dass Christen um Vergebung ihrer Sünden bitten sollten – trotz des Erlösungswerks Christi. Die andere Gruppe vertritt die Ansicht, dass wiedergeborene Christen vollkommen frei von Sünde sind, niemals wieder sündigen können und Sünde absolut kein Thema mehr ist. Beide Lager untermauern ihre Position mit Bibelstellen. Wer von beiden hat denn nun recht? Ich meine: Beide.
Der Punkt dabei ist folgender: Ja, das Sühneopfer Jesu wurde ein für allemal erbracht. Sein Werk am Kreuz sühnt jede einzelne Sünde, auch in meinem Leben. Und zwar jede Sünde, die ich vor meiner Bekehrung begannen habe, die ich nach meiner Bekehrung begannen habe, und die ich in Zukunft (oder in 5 Minuten) begehen werde. Kann ein Christ noch sündigen? Absolut und glasklar: JA! Der Punkt ist dabei, dass Gott uns diese Sünde nicht mehr anrechnet bzw. nicht einmal mehr anrechnen KANN, eben weil das Blut Jesu dafür vergossen wurde. Insofern gilt für einen wiedergeborenen Christen folgendes: Für Gott ist die Sünde kein Problem mehr – für uns schon.
Was unsere Stellung vor Gott betrifft hat Sünde keinen Einfluss mehr. Wir haben unsere Gerechtigkeit in Christus und nicht in unseren eigenen Werken. Daher ist vor Gott nur diese eine Frage wichtig: Haben wir das Opfer Jesu angenommen und ihn zu unserem Heiland und Erlöser gemacht? Wenn ja, dann wird uns keine einzige Sünde mehr angerechnet. Sünde trennt von Gott. Doch wenn Christus in uns ist, können wir nicht mehr von Gott getrennt werden, es ist unmöglich. Jesus zieht bei uns nicht ein und aus wie in einem Hotel. Er ist da und er bleibt da. Der einzige Weg, wie wir Jesus aus unserem Leben wieder herausbekommen, ist, dass wir ihm bewusst und entschieden entsagen. Ich kenne niemanden, der das je getan hat. Und nein, wir können es auch nicht versehentlich tun. Manche Christen haben Angst davor, aus Versehen die eine, „unvergebbare“ Sünde zu begehen und gegen den Heiligen Geist zu lästern. Ich denke, dass es bei dieser Frage um reife Christen geht, die genau wissen was sie tun (vgl. Hebr 6,4-6).
Sünde ist allerdings ein Problem für uns. Warum? Weil bestimmte Wirkungen des Reiches Gottes sich nicht mit Sünde vertragen – und deshalb ausbleiben. Paulus schreibt den Korinthern: Bemüht euch eifrig um die Geisteswirkungen, am meisten aber, dass ihr weissagt. Geisteswirkungen, wie zum Beispiel Weissagung oder Prophetie, sind eine Wirkung des Geistes (daher der Name!). Wenn wir in den Geistesgaben wirken, ist das ein direktes Zusammenspiel mit dem Heiligen Geist. Und der Heilige Geist ist der Heilige Geist. Heiligkeit verträgt sich nicht gut mit Unheiligkeit.
Was heißt es, sich um die Geisteswirkungen zu bemühen? Das griechische Wort hier heißt zeloo und bedeutet „ernsthaft, mit Eifer ersehnen“. Es ist ein dringendes Verlangen danach, dass der Heilige Geist uns in den Geistesgaben gebraucht. Wie bringt man das zum Ausdruck? Man sagt es ihm. Man bittet ihn, in diesem Bereich gebraucht zu werden. Das ist der eine Teil. Der andere Teil besteht darin, die Grundvoraussetzungen dafür zu schaffen! Erinnere dich an das Gleichnis vom Kaufmann, der eine kostbare Perle suchte. Als er sie gefunden hatte, verkaufte er alles, was er hatte, um diese eine Perle zu erwerben. Oder der Mann, der auf einem Acker einen Schatz fand, alles verkaufte und diesen Acker erwarb, um an den Schatz zu kommen.
Ich denke, hier sehen wir den Zusammenhang zwischen Sünde und unserem Dienst im Reich Gottes. Das Gute daran ist, dass Gott hier auch Christen gebraucht, die zwar vollkommen gerecht sind durch das Blut Jesu, aber trotzdem noch Dinge tun, die in den Bereich von Sünde fallen (mich zum Beispiel). Wir müssen nicht vollkommen „heilig“ sein, bevor der Heilige Geist durch uns wirken kann – sonst gäbe es wahrscheinlich keine Geisteswirkungen mehr auf Planet Erde… Doch gerade, wenn wir in den Geistesgaben tiefer gehen wollen, mehr erleben wollen, mehr gebraucht werden wollen, bin ich davon überzeugt, dass der Heilige Geist mit uns bis zu einem bestimmten Punkt geht. Doch dann gelangen wir auf eine Art Plateau, von wo aus es nicht weitergeht, solange wir nicht an uns arbeiten lassen. Einblick in die tiefsten Geheimnisse und Wirkungen Gottes verträgt sich einfach nicht mit einem Leben voller sexueller Unreinheit, finanziellen Tricksereien, Missgunst, Unvergebenheit, Unbarmherzigkeit, Lieblosigkeit etc.
Übrigens stelle ich nach über 20 Jahren als Christ fest: Je länger ich mit Jesus lebe, desto mehr erkenne ich meine Unzulänglichkeiten. Je mehr ich mich mit ihm befasse, desto mehr erkenne ich meine Baustellen. Sie werden mehr, nicht weniger… Und das ist gut so! Ich weiß, dass viele Prediger davon sprechen, dass wir kein Sündenbewusstsein mehr brauchen. Wenn damit gemeint ist, dass wir uns von Sünde nicht mehr verdammen lassen müssen, gebe ich ihnen recht. Ansonsten gilt: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig!“ (1 Petr 1,16). Und dieser Heiligungsprozess endet im Augenblick unseres allerletzten Atemzugs…