Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Am Abend sagt ihr: Es wird schön, denn der Himmel ist rot! und am Morgen: Heute kommt ein Ungewitter, denn der Himmel ist rot und trübe! Ihr Heuchler, das Aussehen des Himmels versteht ihr zu beurteilen, die Zeichen der Zeit aber nicht! (Mt 16,2-3)

Jesus steckt hier mitten in einer heißen Diskussion mit den Pharisäern und Sadduzäern, die von ihm ein „Zeichen aus dem Himmel“ verlangen (V 1) – mit anderen Worten: Einen Beweis für die Legitimität Jesu. Seine Antwort ist eigentlich anders ausgedrückt: Wie viele Zeichen wollt ihr denn noch?? Er sagt ihnen: Das Wetter einschätzen könnt ihr, aber die Zeichen der Zeit deuten könnt ihr nicht. Was ist seine Botschaft?

Zunächst einmal sagt er deutlich, dass Zeit Zeichen hat. Die Zeit wird von etwas begleitet, das Aussagekraft hat. Die Zeit hat Begleiterscheinungen, die dabei helfen, dieses Momentum zu beurteilen, zu deuten, zu verstehen, einzuordnen, zu interpretieren. Manchmal können wir so starre Routinen haben, dass wir wissen: jede Woche am Donnerstagabend gegen 22.30h poltert der Nachbar durchs Treppenhaus. Ein solches „Zeichen“ lässt uns allerdings auf die Zeit schließen. Doch Jesus sagt uns nicht, dass wir Merkmale finden sollen, um die Zeit benennen zu können. Er lenkt unser Augenmerk vielmehr darauf, aufgrund der Zeichen – der Begleiterscheinungen – zu verstehen, was gerade wirklich läuft. Und das ist unter Umständen sehr viel schwieriger.

Das griechische Wort für Zeit lautet hier kairos. Kairos beschreibt mehr das Momentum oder eine Phase, während chronos den zeitlichen Ablauf in Stunden oder Monaten bezeichnet. Alles, was um uns herum passiert, lässt sich auf diesen zwei Zeitebenen gleichzeitig beschreiben. Wir können diesen Lebensabschnitt heute am Wochentag, dem Jahr, dem Ende der Schulferien etc. festmachen, oder eben an dem, was auf der kairos-Ebene läuft. Und genau das ist die Ebene, für die wir einen Blick brauchen, wenn wir verstehen wollen, was gerade in unserem Leben passiert, was in der Vergangenheit geschehen ist und wie wir unsere zukünftigen Schritte gestalten. Auf dieser Ebene sind wir ohne die Führung des Heiligen Geistes verloren.

Weil kairos soviel mehr ist als Tag oder Stunde, spielen sich auf dieser Ebene unendlich viel mehr Prozesse gleichzeitig ab, als wir im Blick haben können. Eine Definition beschreibt kairos auch als die von Gott festgesetzte Zeit. Und so hat Gott nicht nur für mein persönliches Leben eine bestimmte Zeit angesetzt, sondern auch für Menschen um mich herum – und weil ich mit ihnen in Beziehung stehe, können in meinem Leben plötzlich Dinge passieren, die mit mir gar nicht so viel zu tun haben müssen, sondern vielmehr mit dem, was Gott in deren Leben gerade tut oder tun will. Manchmal erkennt man das, manchmal erst im Nachhinein und manchmal gar nicht. Um so wichtiger ist es, in der Führung des Heiligen Geistes zu sein.

Jesus fordert uns auf: Seid aufmerksam für die Begleiterscheinungen der Zeit! Stolpert nicht durch die Gegend, sondern seid wachsam! Macht euch Gedanken über das, was ihr seht! Fragt nach, lasst euch Weisheit geben! Manchmal merkt man erst, dass man etwas verloren hat, wenn man es plötzlich braucht. Manchmal merkt man erst, was sich alles verändert hat (positiv oder negativ), wenn man Rückschau hält. Und manchmal erkennt man, dass sich ein bestimmtes unterschwelliges Gefühl, das man vor Monaten hatte, bewahrheitet hat. Ich denke, solche „Erkenntnisse“ können wir getrost als Trainingseffekt verbuchen. Solche Erfahrungen lassen uns lernen, worauf wir achten können. Und ich bin ebenso davon überzeugt, dass wir bestimmte Erkenntnisse erst im Nachhinein bekommen, weil der Heilige Geist bestimmte Abläufe vor unseren Augen verborgen hat (damit wir ihm nämlich nicht dazwischenfunken).

Wenn wir nicht in blinden Aktionismus, Sorgen oder Angst verfallen wollen, brauchen wir Einsicht von Gott, was gerade um uns herum passiert. Manchmal kriegen wir diese Antworten durch prophetische Worte oder Träume, mir persönlich ist das Reden Gottes durch sein Wort am liebsten. Vor einigen Monaten sagte mir ein Prophet, dass Gott durch ein bestimmtes Buch der Bibel zu mir reden würde. Genau dieses Buch stand gerade auf meinem „Plan“, weil es für mich das unverständlichste aller Bücher war. Und Gott hat tatsächlich zu mir geredet und mir geholfen, die Zeit zu verstehen, in der ich mich über einige Monate befand. Diese Art von Verstehen war für mich großartiger als jede Prophetie. Und es hat mich durch diese Zeit getragen, mich ermutigt und mit Hoffnung erfüllt, während immer wieder neue Impulse durch das kamen, was ich gerade las.

Warum nennt Jesus die Pharisäer und Sadduzäer „Heuchler“? Dieses Wort bezeichnet außerdem Schauspieler, Simulanten oder Interpreten. Es sind Menschen, die etwas darstellen, eine „Rolle“ spielen, und zwar vor einem und für ein Publikum. Doch er attestiert ihnen, dass sie keinerlei Einsicht in die Zeichen der Zeit haben, auch wenn sie so tun als ob und Menschen mit ihrem „Auftritt“ beeindrucken oder beeinflussen. Immerhin hatten sie in der damaligen Gesellschaft schon so etwas wie eine Führungsposition. Wir brauchen in der Gemeinde Leiter, die uns vorangehen, die uns Dinge oder Zeitzeichen erklären, aber wir leben in einer kairos-Zeit, in der jeder von uns erfüllt sein kann mit dem Heiligen Geist. Und dann kann das, was uns reife, erprobte und bestätigte Menschen des Geistes sagen, eine Bestätigung dessen sein, was der Heilige Geist uns schon gezeigt hat. Und wenn unser Herz wirklich auf den Willen Gottes für unser Leben ausgerichtet ist, kann der Heilige Geist eingreifen und Weichen stellen, die so ganz anders sind als das, was scheinbar gerade Konsens war, denn er sieht weiter und tiefer und führt uns zu grünen Weiden, frischen Wassern und zur Not eben auch durch das Tal des Todesschattens. Aber er kommt mit uns an sein Ziel!

Noch ein praktischer Tipp zum Schluss: Wenn du gerade nicht so genau weißt, was für dich dran ist, dann triff keine Entscheidung, bis du sicher bist, in welche Richtung es geht. Zitat meines Pastors: „Triff niemals Entscheidungen aus Angst oder aus Begeisterung.“