Da sagte sein Herr zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht! Du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über vieles setzen; geh ein zur Freude deines Herrn! (Mt 25,21)
Dieser Vers ist vielen von uns als ein geistliches Prinzip bekannt: Bist du treu in den kleinen Dingen, wirst du über Großes gesetzt werden. Treue im Kleinen qualifiziert für Beförderung. Und oft ist das ein echter Anreiz für uns, die Dinge, die uns nerven, auf die wir keine Lust haben, die uns herausfordern, trotzdem treu zu erfüllen, weil wir die Belohnung dafür erwarten: Beförderung. Da gibt es allerdings einen Haken, den wir oft übersehen.
Zunächst einmal hat Treue nicht das Geringste mit Lust oder Unlust zu tun. Treue hat nichts damit zu tun, ob uns gerade danach ist oder nicht. Treue ist kein Gefühl! Treue ist eine Entscheidung – ganz egal, in welchem Bereich: Angefangen von Treue in Beziehungen oder Ehen bis hin zu Treue hinsichtlich gegebener Versprechen oder Zusagen. Treue ist ein Handlungsmuster, das zu einem Charakterzug werden kann. Jemand ist nur deswegen eine „treue Seele“, weil er sich in der Vergangenheit lange und immer wieder als treu erwiesen hat. Treue ist ein Wesenszug Gottes und gehört zur Frucht des Geistes (Gal 5,22). Gott ist treu, Treue ist in unseren wiedergeborenen Geist hineingelegt und sollte unsere Natur sein – ist sie aber nicht, jedenfalls nicht automatisch.
Manche sagen: „Ich bin von Neuem geboren, die Frucht des Geistes ist in mir, und deswegen BIN ich voller Liebe, Freude und Frieden, ich BIN langmütig, freundlich, gütig, treu, sanftmütig und voller Selbstbeherrschung.“ Und manchmal möchte man ihnen gern antworten: „Nein, bist du nicht…“ Bloß weil deine Wohnung über Strom verfügt, bedeutet das nicht, dass deine Akkus ständig aufgeladen sind. Bloß weil dein Kühlschrank voll ist, heißt das nicht, dass du keinen Hunger bekommst. Bloß weil diese Dinge in deinem wiedergeborenen Geist sind, heißt das nicht, dass sie sich äußerlich manifestieren. Es heißt nur, dass du etwas in dir hast, was du aktivieren und nutzen kannst – ob wir das tun, steht auf einem vollkommen anderen Blatt.
Treue ist das, was wir tun, wenn uns gar nicht danach zumute ist. Treue zeigt sich dann, wenn man sich jeden Sonntagmorgen aus dem Bett quält und in den Gottesdienst geht, obwohl man eigentlich lieber schlafen möchte. Treue ist das, was wir tun, wenn uns niemand dabei zusieht. Treue beweist sich darin, dass wir eine Entscheidung treffen, die nichts mit unserer Laune oder Befindlichkeit zu tun hat. Treu sind wir dann, wenn unser Komfort und unsere Bequemlichkeit die Diskussion verloren haben. Treue ist alles andere als bequem.
Und nun haben wir da also einen treuen Knecht, der als Lohn für seine Treue befördert wird. An genau diesem Punkt denken wir meistens nicht bis zum Ende! Weißt du, was es heißt, über Größeres gesetzt zu werden? Es heißt, dass eine noch höhere Anforderung an deine Treue gestellt wird! Oft denken wir, wir beweisen unsere Treue, streichen die Beförderung ein und dann lassen wir es uns gutgehen, doch weit gefehlt. Je mehr dir anvertraut wird, desto mehr Treue wird von dir verlangt werden.
Im Gleichnis von den anvertrauten Talenten gibt es zwei unterschiedliche Perspektiven. Die eine Perspektive fokussiert sich auf das Prinzip von Einsatz und Belohnung, auf klein beginnen und mehr bekommen. Das ist der Blickwinkel, der zutiefst menschlich ist – und sehr kurzsichtig. Die andere Perspektive fokussiert sich auf Treue, die zu mehr Treue führt. Ich denke, das ist die Perspektive des Reiches Gottes. Es geht nicht so sehr um uns und wie groß unser Einflussgebiet oder unser Dienst ist. Es geht viel mehr darum, wieviel Gott uns und unserer Treue anvertrauen kann. Aus dieser Perspektive betrachtet qualifizieren wir uns also nicht so sehr für Beförderung und Zunahme, sondern vielmehr für weitaus größere Gelegenheiten, unserer Bequemlichkeit den Kampf anzusagen. Wer über mehr gesetzt wird, hat bewiesen, dass seine Bereitschaft zur Treue größer ist als seine Bequemlichkeit.
Das ist das Herz eines Dieners. Das war das Herz von Jesus, als er die Herrlichkeit des Himmels verließ, Knechtsgestalt annahm, sich vollkommen sündlos die Sünde der ganzen Menschheit aufladen ließ und einen schändlichen Tod starb. Sein Lohn ist das Erbe, das er antreten wird, wenn das Reich Gottes anbricht und er als König über alle Könige gesetzt sein wird. Das ist das Herz, das von uns erwartet wird: Wer der Erste sein will, sei der Letzte und der Diener aller anderen (Mk 9,35).
Diese Art von Treue mit dem, was uns anvertraut wird, qualifiziert uns schlussendlich für eine Herrschaftsposition im ewigen Reich Gottes. Nicht zufällig wird dem Knecht in der gleichen Geschichte im Lukas-Evangelium die Herrschaft über zehn Städte verheißen. Hat unsere Bequemlichkeit Vorrang, qualifiziert uns das am Ende nur für einen qualmenden Haufen Asche (1 Kor 3,9-15)…