Und die Lade des Herrn verblieb drei Monate lang im Haus Obed-Edoms, des Gatiters, und der Herr segnete Obed-Edom und sein ganzes Haus (2 Sam 6,11)

Für mich ist die Geschichte von Obed-Edom hochinteressant, weil sie eine erstaunliche Entwicklung zeigt. Zum größeren Zusammenhang: König David wollte die Bundeslade nach Jerusalem bringen. Die Rinder, die den Karren mit der Bundeslade zogen, gerieten ins Rutschen, Ussa griff beherzt zu, um die Lade zu halten und starb dafür auf der Stelle. Dieser Schock veranlasste David dazu, die Bundeslade für drei Monate bei Obed-Edom zu parken. Obed-Edom war ein Gatiter, ein Levit, der zum Stamm der Korahitern gehörte. Und nun hat er plötzlich die Bundeslade in seinem Hinterhof stehen. Das ist ungefähr so, als würde die Königin von England gerade mal kurz die Kronjuwelen in deiner Speisekammer zwischenlagern.

Was mag sich Obed-Edom gedacht haben? Die Bundeslade, das kostbarste Gut des Volkes Israel, steht plötzlich auf seinem Grund und Boden, die Verantwortlichen verabschieden sich, nachdem sie ihm wahrscheinlich gerade warnend mitgeteilt haben, welches Schicksal Ussa erlitten hatte und nun steht er da und darf sich unangekündigt mit einer solchen Situation abfinden. Wir erfahren nicht viel darüber, wie er das Ganze gemanagt hat. Vielleicht hat er Wachen aufgestellt, einen Zaun drumherum gezogen oder sich einfach nicht in die Nähe gewagt – doch die Bundeslade als solche tut ihre Wirkung. Immerhin war sie quasi der irdische Wohnort Gottes. Was innerhalb der nächsten drei Monate passiert, ist, dass Obed-Edom derart gesegnet wird, dass sogar König David davon erfuhr. Offensichtlich stand Obed-Edom unter Beobachtung. Jedenfalls sieht König David sich ermutigt, das Projekt „Bundeslade“ neu anzugehen, diesmal mit Erfolg.

Mitten in 1 Chronik – also da, wo man beim Bibellesen besonders viel Spaß hat wegen der ganzen unaussprechlichen und nicht besonders vielsagenden Namen – erscheint genau dieser Obed-Edom wieder. Er und seine acht Söhne werden zu Torhütern im Tempel. Damit ist die Gruppe aus der Familie Obed-Edoms die größte unter den Torhütern, und die Bibel sagt sogar eindeutig, warum das so war: „denn Gott hatte ihn gesegnet“ (1 Chr 26,5) und seine Nachkommen waren „tüchtige Männer voller Kraft“ (V 6). Einige Verse später erfahren wir außerdem, dass Obed-Edom per Los das südliche Tor zugeteilt wird – genau das Tor, unter dem laut Hesekiel 47 der Strom aus dem Tempel hervorfließt. Zufall oder Absicht?

Obed-Edom ist jetzt nicht die schillerndste Persönlichkeit des Alten Testaments. Er ist eigentlich nur einer unter sehr vielen, doch wir erfahren über ihn explizit, dass die Gegenwart Gottes auf seinem Grund und Boden für einen gewaltigen Segen gesorgt hat, dass dieser Segen für tüchtige Nachkommen sorgte und dass Obed-Edom am Ende noch immer dort ist, wo seine Geschichte angefangen hat: In der Nähe der Bundeslade. Diese drei Monate müssen einen enormen Eindruck auf ihn gemacht haben, schließlich hätte Obed-Edom wahrscheinlich auch einfach zuhause bleiben können, nachdem David ihn von der Last der Bundeslade wieder befreit hatte. Ich bin überzeugt, er ist freiwillig mitgegangen. Ich denke, er hat alles aufgegeben, um in der Nähe dieser Bundeslade zu bleiben, die sein Leben faktisch verändert hat. Und wenn du schon drastische Veränderungen in deinem Leben erlebt hast, weißt du, dass das nicht immer einfach ist.

Ich glaube, Obed-Edom ist ein alttestamentliches Beispiel für jemanden, der einen Schatz in einem Acker findet, alles verkauft, was er hat, und diesen Acker erwirbt (Mt 13,44). Obed-Edom hatte eine reale Begegnung mit dem realen Gott und er gab alles auf, um weiter in dieser Nähe zu Gott zu bleiben. Gottes Herrlichkeit bringt Veränderung, denn eines wird mir ebenfalls deutlich: Gott quartiert sich nicht in unserem Leben ein. Jesus blieb nicht brav an einem Ort, sondern er zog quer durch die Städte und Dörfer. Die Jünger hatten die Wahl: Nachfolger sein und ihm auf seinem Weg folgen oder bleiben, wo sie waren und hoffen, dass er mal wieder vorbeikommt. Ich glaube, diese Frage kann sich für uns alle genau so stellen. Haben wir eine Herrlichkeit geschmeckt, die wir nicht wieder verlieren wollen? Dann müssen wir uns auf Veränderungen einstellen. Das können Veränderungen in unseren Lebensumständen sein, aber vor allem sind es auch innere Veränderungen, wo der Heilige Geist an uns zu arbeiten beginnt, um das größte Ziel Gottes mit unserem Leben zu erreichen: Dass wir dem Ebenbild Jesu gleichgestaltet werden (Röm 8,29).

Wir alle aber, indem wir mit unverhülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauen wie in einem Spiegel, werden verwandelt in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, nämlich vom Geist des Herrn (2 Kor 3,18) – Herrlichkeit bringt Veränderung.