Mich hat ein Email mit einer Frage erreicht, die mich dazu inspiriert hat, das Thema „Wohlstand“ und „Wohlstandsevangelium“ noch einmal aufzugreifen. Die Frage zielte in die Richtung, warum Christen heute so wenig von dem Wohlstand erleben, der im Alten Testament beschrieben wird (z.B. Abraham) – während die Verkündigung heutzutage oft vermittelt, dass wir als Christen in Überfluss und frei von Problemen leben sollten.
Mich beschäftigt diese Frage ebenfalls immer wieder, weil ich immer wieder Christen erlebe, die quasi auf ihr Recht pochen, von Gott versorgt zu werden und regelrecht Anklage erheben, wenn sie diese Versorgung nicht erleben und in ihrem Leben Dinge schief laufen. Sie fangen an, an Gott zu zweifeln und verbittern. Und auch wir sind vielleicht anfällig für eine ähnliche Denkweise, wo wir uns wünschen würden, dass der Segen Gottes einfach auf uns herabregnet. Wie ist das also gedacht mit dieser göttlichen Versorgung in Hülle und Fülle?
Unser Problem beginnt bereits dann, wenn wir auf Abrahams Ende schauen. Abraham ist für uns ein Beispiel dafür, wie Gottes übernatürlicher Segen in unmöglichen Situationen wirken kann. Als Abraham und Lot sich trennten, wählte Lot für sich das fruchtbare Land und Abraham blieb die Wüste und die karge Steppe für sein Vieh. Trotzdem wuchsen und gediehen die Herden. Abraham war wohlständig! Gottes Segen machte ihn reich. Doch was war vorher geschehen?
Vorher hat es in Abrahams Leben eine Reihe von Ereignissen gegeben, die ihn schließlich in Position für den Segen gebracht haben: Auf Gottes Anweisung hat er erst seine Heimat verlassen, dann seine Familie (in damaligen Zeiten absolut unverständlich und sogar gefährlich, weil die Familie auch in materieller Hinsicht einen Schutzraum darstellte). Dann bekam er von Gott die Verheißung für einen Sohn, die sich erst Jahrzehnte später erfüllte. Und der Höhepunkt war der Moment, als Abraham gehorsam genau diesen Sohn opfern wollte, wie Gott ihm befohlen hatte. Unterm Strich kann man über Abraham sagen: Er war gehorsam bis aufs Blut (im wahrsten Sinne des Wortes), er blieb auf der Verheißung Gottes über viele, viele Jahre stehen und tat kompromisslos alles, was Gott von ihm verlangte. Dass er dabei Fehler machte, ist uns klar. Doch das hat Gottes Segen nicht blockiert. Nur diese Kehrseite der Medaille wird selten betrachtet. Abraham hat einen hohen Preis bezahlt, doch die Belohnung war es wert.
Wie viele Christen kennst du, die ähnlich ticken und ähnlich bereit sind, keine Kompromisse zu machen, vollkommen gehorsam zu sein und sogar über Jahrzehnte an Gottes Verheißung festzuhalten? Ich kenne ein paar, aber nicht sehr viele. Der Weg zu Gottes Versorgung ist für unsere menschliche Seele extrem unangenehm, weil der Segen eben nicht über Nacht kommt. Und das liegt zum einen daran, dass unsere Seele sich erst einmal daran gewöhnen muss, gehorsam, kompromisslos und geduldig zu sein. Wir sind nicht aus dem Stand in der Lage, diesen Weg einzuschlagen. Dieser Weg beinhaltet viel Charakterveränderung, Gehorsams- und Demutslektionen und Geduldsprüfungen. Zum anderen liegt es auch daran, dass Gott uns erst einmal an den Ort führen muss, wo er seine Versorgung für uns geplant hat. Abraham beispielsweise konnte nicht in Haran bleiben. Gott musste ihn von dort wegführen. Der Prophet Elia musste zum Bach Krit gehen, wo Gottes Versorgung auf ihn wartete. Und damit kommen wir zum Kern göttlicher Versorgung: Sie findet unter Gottes Bedingungen statt!
Die Jünger Jesu hatten ebenfalls alles, was sie brauchten. Zum Teil durch übernatürliche Brotvermehrung oder Münzlieferungen per Fisch. Aber auch die Jünger hatten vorher alles verlassen und lebten im Gehorsam Jesus gegenüber. Sie konnten nicht bei ihren Familien und Fischerbooten bleiben und erwarten, dass Gottes Plan sich ausschließlich an ihrem Strand abspielen würde. Um Teil dessen zu sein, mussten sie gehen. Wir sehen also: Das Ganze hat einen Preis! Bist du bereit, ihn zu zahlen?
Warum hören wir in der Gemeinde nicht viel davon, dass der Weg steinig und unbequem ist (denn das ist er durchaus)? Weil diese Botschaft unpopulär ist und mit der „Glaubenslehre“ kollidiert, die ja tatsächlich oft in der Verkündigung besteht: Es geht nur vorwärts und aufwärts. Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen. Nur besteht dieses „Beste“ darin, dass wir durch all diese Dinge mehr und mehr ins Ebenbild Christi verwandelt werden sollen (Röm 8,28-29). Schlussendlich ist diese Verkündigung einseitig, weil sie sich zwar korrekt auf die Verheißungen Gottes und das Erlösungswerk Christi bezieht, aber Gottes Spielregeln und Gottes eigentliche Absichten mit uns oft weitestgehend außer Acht lässt. Abraham brauchte Glauben und lebte aus Glauben – aber er zahlte auch den Preis, seine eigenen Entscheidungen zugunsten der Führung Gottes abzulegen und sogar den Sohn zu opfern, den er nach so langer Zeit endlich empfangen hatte.
Gottes Versorgung erleben wir ebenfalls auf genau diese Weise: Wir glauben und wir folgen. Das ist der Kern echter Jüngerschaft. Das eigene Leben wird gekreuzigt und zugunsten des Lebens Christi „verloren“. Das ist die Grundlage dafür, dass Gott in unser Leben hineinwirken kann, unsere Seele umgestaltet wird und wir von A nach B geführt werden, wo Gott alles für uns bereitet hat, was wir brauchen (2 Kor 9,8). Und wenn wir in dieser Art von Versorgung noch nicht angekommen sind, heißt das schlicht: Wir sind noch unterwegs. Wir lernen, wir gehorchen und wir bleiben geduldig. Aus Erfahrung weiß ich: Es funktioniert!